Neue Methode ist heftig umstritten: | Durchtrennung von Gesichtsmuskel. | Frankfurt/Main. (ap) Hämmernde Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit, Übelkeit und Blitze vor den Augen - Migräne. Behandlungsmethoden gibt es viele. Eine neue chirurgische Therapie sorgt für Gesprächsstoff: Nach Ansicht des Berliner Chirurgen Thomas Muehlberger liegt die Ursache für die gravierenden Beschwerden bei etwa 15 Prozent der Betroffenen an einer chronischen Nervenreizung durch einen Gesichtsmuskel.
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Durch diesen Muskel verläuft ein Nerv, der bei manchen Menschen durch Anspannung irritiert wird. "Dadurch kann sich eine chronische Entzündung entwickeln und Migräne hervorrufen", sagt Muehlberger, Chefarzt der Abteilung für plastische Chirurgie der Berliner Park-Klinik Weißensee. Muehlberger löst das Problem mit dem Skalpell: Dabei wird nach eingehender Diagnose und längerer Beobachtung der Corrugatormuskel, der unterhalb der Augenbrauen liegt und das Stirnrunzeln ermöglicht, stillgelegt.
Wie im Bereich der Augenbrauen gebe es verschiedene Punkte am Kopf, an denen Nerven durch Muskeln verlaufen und irritiert werden können, wenn der Muskel angespannt wird. "Migräne ist in diesen Fällen eine Folge der dauerhaften Kompression des Muskels und einer chronischen Nervenentzündung", sagt Muehlberger, der die Methode in Zusammenarbeit mit Kollegen in den USA weiterentwickelt hat.
Patienten, die zu ihm kämen, hätten bereits eine "echte Odyssee" hinter sich. Denn bisher habe die Schulmedizin immer nach einer einzigen Therapie gesucht, was nach Ansicht Muehlbergers von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei: "Migränekopfschmerz ist ein Bündel von Problemen." Seine Therapie sei deswegen auch nur für einen Teil von Migränepatienten geeignet.
Neurologen-Diagnose
Die Patienten, die den Weg zu ihm gefunden haben, müssen einen elfseitigen Fragenkatalog beantworten, in dem insgesamt 162 Variablen zur individuellen Symptomatik abgefragt werden. Damit sollen unter anderem hormonelle und andere Ursachen ausgeschlossen werden. Ob im konkreten Fall tatsächlich eine Migräne vorliegt, diagnostiziere nicht er, sondern ein Neurologe.
Für die weitere Behandlung sei es dann wichtig, ob die Patienten den Schmerz genau lokalisieren könnten, erklärt Muehlberger. Nur dann könne der Zusammenhang zwischen Muskelanspannung und Nervenreizung hergestellt werden. Erst danach kann die Behandlung beginnen, bei der zunächst das Nervengift Botulinumtoxin ("Botox") zum Einsatz kommt, um den Muskel für etwa acht Wochen außer Funktion zu setzen. Wenn diese Simulation eine deutliche Linderung der Beschwerden gebracht habe, könne die dauerhafte Lähmung des Muskels mittels Operation erfolgen.
Kritik muss sich Muehlberger von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG) gefallen lassen. Zum einen heißt es, die chirurgische Therapie sei kein etabliertes Verfahren. Darüber hinaus fehlten wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit dieser Methode zweifelsfrei belegten. Es sei zwar prinzipiell vorstellbar, dass Einflüsse aus der Gesichtsmuskulatur Migräneattacken auslösen könnten. An der grundsätzlichen genetischen Veranlagung der betroffenen Patienten ändere dies jedoch nichts. An eine Heilung von Migräne sei ohnehin nicht zu denken. Es gebe aber wirksame Therapien zur Vorbeugung und Behandlung von Attacken.
Erfolge eher relativ
Die geforderten Langzeitstudien kann Muehlberger nach eigener Auskunft inzwischen vorlegen. Ein Drittel der von ihm behandelten Patienten habe demzufolge im Jahr nach der Operation keinen einzigen Migräneanfalle mehr bekommen. Bei etwa 55 Prozent habe sich die Symptomatik extrem verändert. "Sie sind nicht mehr komplett lahm gelegt", erklärt Muehlberger. Die Kosten der Behandlung inklusive der mehrwöchigen Voruntersuchung und "Botox"-Injektion liegen bei rund 3.500 Euro.