)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Am Montag stand ein Theaterstück im Mittelpunkt der Kulturberichterstattung, das ohne seine alljährliche Exhumierung als nekrophiler Höhepunkt der Salzburger Festspiele wohl längst in den Katakomben der Literaturgeschichte gelandet wäre: Hugo von Hofmannsthals "Jedermann". Im "Kulturjournal" von Ö1 waren unter anderem Interviews mit den Protagonisten Peter Simonischek und Veronika Ferres zu hören: Ansprechend und durchaus fundiert, was sie so zu sagen hatten. Merkwürdig nur, dass niemand die Frage stellte: Wen interessiert eigentlich "Jedermann"? Sicher nicht jedermann. Wichtiger als die Frage nach dem "Wen" ist aber jene nach dem "Warum". Antwort: Man interessiert sich für den "Jedermann", weil es unmöglich ist, sich der Berichterstattung zum Thema "Jedermann" zu entziehen. Wenn da im Vorfeld von einem Skandal oder zumindest einem Skandälchen gemunkelt wurde - immerhin gab es ja die erste Neuinszenierung nach erst 18 Jahren -, dann kaschiert dieses Aufbauschen eines bigotten Lehrstücks nur, dass es sich in Wahrheit um ein Leerstück handelt. Weshalb ich mir auch "Treffpunkt Kultur" trotz der sympathischen Barbara Rett nicht ansehen wollte. "Erste Reaktionen" auf die Premiere von "Jedermann" wurden uns da versprochen. Mir ist die Tatsache "Jedermann" an sich schon Reaktion genug.
Ein wie so oft hervorragendes "Journal Panorama" nach dem Ö1 Abendjournal wies darauf hin: Unsere Lebensmittel sind in verheerendem Ausmaß mit Pestiziden belastet. Ein Skandal, der wirklich jedermann angeht. Aber wen interessiert's?