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Skandale verdrängen Erfolgsstorys

Von Richard Solder

Politik

Deutliche Mehrheit der Medien-Chefs ist gegen eine "Migranten-Quote".


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Wien. Entscheidungsträger österreichischer Medienunternehmen kritisieren großteils die heimische Berichterstattung über Zuwanderung. Für eine Studie befragte die Kommunikationswissenschafterin Karin Zauner 24 Chefredakteure und 16 Geschäftsführer von 22 heimischen Medien. Auch "Wiener Zeitung"-Chefredakteur Reinhard Göweil zählte neben den Chefredakteuren von "Standard", "Presse" und ORF zu den Befragten.

Für alle Medien-Chefs haben die Medien eine wichtige Funktion für Integration. Aber fasst jeder zweite ist überzeugt, dass die Medien ihrer Bedeutung hier nicht gerecht werden und Integration sogar hemmen. Ein Viertel findet, dass sich Rundfunk und Zeitschriften für ein funktionierendes Zusammenleben einsetzen müssten, dies aber bisher nicht ausreichend geschieht.

57 Prozent der interviewten Medien-Chefs sehen die Berichterstattung über Immigration überwiegend negativ. Allerdings wird hier differenziert: Boulevardzeitungen verbinden die Interviewten eher mit stereotypen, die Qualitätspresse mit differenzierten Berichten. Jeder dritte erwähnte explizit die "Kronen Zeitung" als ausländerkritisches oder ausländerfeindliches Blatt.

Laut Medien-Chefs werden Einwanderer in den Medien vor allem als Problem dargestellt. Sie erklären dies mit der "Logik der Medien": 97 Prozent gaben an, dass Massenmedien gezielt Praktiken wie Skandalisierung, Polarisierung oder Stereotypisierung anwenden, um den Absatz zu steigern. Medien seien demnach mehr Konstrukteure von Wirklichkeit als neutrale Vermittler.

Positive Impulse werden begrüßt: 80 Prozent der Befragten halten gezielt positive Berichte über Immigranten für gut und sinnvoll. Wichtig sei vor allem, gegen Klischees anzukämpfen und Migranten als funktionalen Teil der Gesellschaft zu zeigen.

Skeptisch sind die Chefs der Medienhäuser gegenüber fremdsprachigen Inhalten in österreichischen Medien und Nischen-Sendungen wie der ORF-Sendung "Heimat, fremde Heimat". Die Auseinandersetzung mit Migration und Integration solle vielmehr in das Zentrum der Gesellschaft rücken und Normalität werden. Bei der Frage, ob ethnisch durchmischte Redaktionen etwas bringen, gehen die Meinungen auseinander: 40 Prozent glauben ja, genauso viele verneinen es. 28 Prozent meinen, dass Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eine Bereicherung sind, da sie einen anderen Zugang zu Themen haben.

Eine freiwillige "Migranten-Quote" für Österreichs Redaktionen wird von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt. Die Argumente dagegen sind vielfältig: Manche Chefredakteure und Geschäftsführer akzeptieren Herkunft nicht als Qualitätsmerkmal und wollen nur nach der Leistung gehen. Weiters würde eine solche Quote die Bürokratie erhöhen und das Unternehmen wirtschaftlich hemmen. Es fehle vielmehr an Diversität im Ausbildungsbereich.

Quoten polarisieren

Die Frage nach der Quote polarisiert Vertreter aus Praxis und Theorie. Auch Olivera Stajic, Chefredakteurin von dastandard.at, sieht im Gegensatz zu anderen Journalisten mit Migrationshintergrund keinen Sinn darin: "Das gibt nur böses Blut. Solche Quoten sind praktisch nicht zu erfüllen", sagte Stajic am Rande der Studien-Präsentation. Wolfgang Ainetter, vormals Chefredakteur der Gratis-Zeitung "heute", hält davon ebenfalls nichts: "Ich bin gegen solche Normen. Das ist schwierig umzusetzen." Auch Wolfgang Duchkowitsch, Kommunikationswissenschafter und Dissertations-Betreuer von Zauner, zeigt sich skeptisch: "Mit einer Quote ist es nicht getan. Aber es muss sich etwas verändern!"

Über die Hälfte der von Zauner befragten Medien-Chefs sind überzeugt, dass es wegen mangelnden Deutschkenntnissen vieler junger Migranten so wenige Journalisten aus dieser Gruppe gibt. Zudem stelle die Suche von passendem Nachwuchs derzeit noch ein großes Hindernis dar. Ainetter konnte das bestätigen: Im letzten Jahr habe er von 300 bis 400 Bewerbungen nur eine von einem Bewerber mit Migrationshintergrund bekommen.

Solche Probleme kennt dastandard.at, bei dem primär migrantische Journalisten arbeiten, nicht. "Beim Start hatten wir 50 Bewerbungen. Ich musste vielen absagen", betont Stajic. Dass der migrantische Nachwuchs zu viele Deutsch-Defizite aufweise, ist für sie eine "bequeme Ausrede". Es gäbe genügend talentierte junge Leute, die die deutsche Sprache einwandfrei beherrschen.

Aufbauend auf den Studienergebnissen formuliert Zauner Handlungsempfehlungen an die Politik - und an den ORF: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse in seinen Programmen Diversität stärker zeigen, gerade auf prominenten Sendeplätzen. Von Politik und Verwaltung erwartet sich die Kommunikationswissenschafterin ein Bekenntnis zu einer vielfältigen Gesellschaft. Zudem plädiert Zauner für die Aufnahme von Menschen mit Migrationshintergrund in die Media-Analyse sowie in den Austria Internet Monitor, der die Internetnutzung analysiert.

Den Medien gibt Zauner mit auf den Weg, dass sie keine einseitige Integrationsfunktion in eine Richtung verfolgen sollen, da sonst die Gefahr einer Entwicklung hin zu Propaganda bestehe. Zauner: "Medien haben in der pluralistischen Demokratie die Vielfalt der Themen sicherzustellen." Menschen mit und ohne Migrationshintergrund inklusive.