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Skepsis begleitet das Vierer-Treffen

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv

Jedes Scheitern birgt auch eine Lektion in sich. Das mögen sich vielleicht jene vier Staaten der Europäischen Union gedacht haben, die nun bei einem Gipfel in Brüssel am 29. April einen neuen Anlauf zur Schaffung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsunion unternehmen. Über die Haltung zum Irak-Krieg ging - und geht nach wie vor - ein tiefer Riss durch die gesamte Union. Allerdings wird dieses Treffen von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg nicht ohne Skepsis betrachtet, steht doch mit Großbritannien der militärisch mächtigste EU-Partner abseits.


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War die letztwöchige Athener Irak-Erklärung der EU immerhin ein erster Schritt aus der Krise, sollen nun mit der Initiative der vier Länder die im EU-Verfassungskonvent stattfindenden Beratungen über eine Verteidigungsunion beschleunigt werden. Entsprechend nennt Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker die Initiative eine "logische Konsequenz" aus dem Irak-Dissens.

Belgien unter Premier Guy Verhofstadt will sich dabei als Schrittmacher profilieren: Dessen Pläne sehen vor, dass bis zum 1. Mai 2004 ein eigenes EU-Militärhauptquartier außerhalb der NATO-Zentrale im belgischen Mons eingerichtet wird. Diese Pläne gehen weit über die bisherige EU-Eingreiftruppe hinaus, die derzeit gerade in Mazedonien ihren ersten Einsatz unternimmt. Hier greift die EU allerdings auf die Planungskapazitäten der NATO zurück. Für Belgien hätte der Auszug aus dem NATO-Hauptquartier vor allem symbolische Bedeutung. Ein solches Symbol lehnt jedoch vor allem Großbritannien ab, das vehement für eine Verbindung der EU-Verteidigung mit dem transatlantischen Bündnis eintritt.

Aber auch für jene mittel- und osteuropäischen Staaten, die erst vor wenigen Monaten der NATO beitraten und die in Athen nun auch in den Kreis der EU-Mitglieder aufgenommen wurden, ist der Nordatlantikpakt mehr als nur ein Überbleibsel aus der Ära des Kalten Krieges. Vor allem der französische Staatspräsident Chirac drängt allerdings schon seit einiger Zeit - zum Missfallen Londons und auch Spaniens - auf eine stärkere Abkoppelung Europas von den USA.

Am 29. April will daher vor allem Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder darauf achten, dass keine Eigendynamik entsteht, die London die spätere Mitarbeit an einer EU-Verteidigungsunion unmöglich machen könnte. Außenminister Joschka Fischer hat, nachdem Kritik am einseitigen Vorgehen der vier Länder in anderen EU-Hauptstädten laut wurde, die Offenheit des Brüsseler Treffens betont. Schnell wurden daher auch noch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und Griechenland als derzeitiges EU-Vorsitzland eingeladen. Da es sich jedoch nicht um eine offizielle EU-Initiative handelt, haben die Griechen aber bereits abgesagt.

Aus der Sicht Österreichs kommt die Debatte über eine EU-Armee "zu früh". Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hält zwar eine engere Koordination der Armeen der Mitgliedsländer für unproblematisch. Sollte es jedoch dahin gehen, dass Österreich seine souveräne Entscheidung über den Einsatz von Soldaten aufgebe, wäre "jede Form der österreichischen Neutralität hinfällig", so Schüssel.