Wie sich Klimawandel und Teuerung auf den Wintertourismus auswirken. Zu Besuch im höchsten Skidorf der Steiermark.
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Klimawandel, Teuerung und Pandemie. Vor allem die vergangenen beiden Skisaisonen hatte der Wintertourismus mit Einschränkungen zu kämpfen: Abstand halten, Maskenpflicht, Kapazitätsgrenzen oder Speisen nur im Freien. Mit Blick auf sämtliche Studien des menschengemachten Klimawandels, wirken diese Einschränkungen rückblickend gering. Die Erderwärmung stellt den heimischen Wintertourismus, der laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mehr als die Hälfte aller touristischen Umsätze ausmacht, vor Herausforderungen.
Dass sich der Klimawandel auf den Skitourismus auswirkt, hat man auf der Planneralm bereits vor Jahren gemerkt. Auf 1.600 Metern, zwischen Latschenkiefern und Nadelbäumen, blieb über drei Saisonen hinweg Schneefall in der Vorweihnachtszeit aus: "Wenn dir die Weihnachtsferien wegbrechen, kannst du das Ganze finanziell gar nicht mehr aufholen", sagt Harald Waupotitsch, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit im höchsten Skidorf der Steiermark kümmert.
Deshalb haben die privaten Betreiber 2020 schließlich mehr als fünf Millionen Euro in die Hand genommen und in eine moderne Beschneiungsanlage investiert. "72 Stunden brauchen wir für eine Piste, bis zu 40 Zentimeter technischer Schnee - mehr beschneien wir nicht", erklärt Schneemeister Martin, der gemeinsam mit seinem Team für die 16 Pistenkilometer verantwortlich ist. Insgesamt arbeiten rund 30 Personen im Skigebiet, sieben davon in der Schneeproduktion. Bewusst sei der Klimawandel den Menschen im Ennstal sehr wohl. Konkrete regionale Auswirkungen, ob und wie sehr Klimaschutzmaßnahmen wirken, jedoch schwer greifbar.
Natürliche Schneedecke nimmt ab
Eine Abnahme der natürlichen Schneedecke um 25 Prozent bis zum Jahr 2100 - 60 statt 75 Tage pro Winter. Das skizziert ein dreijähriges Forschungsprojekt aus dem Jahr 2022 der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) für Orte um die 1.000 Meter Seehöhe - bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. 2015 haben 195 Staaten darin bekräftigt, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter zwei Grad Celsius halten zu wollen. Aktuelle Maßnahmen zur CO2-Reduktion verfehlen dieses Ziel jedoch klar. Dem "Emissions Gap Report 2022" des UN-Umweltprogrammes zufolge steuert man aktuell eher Werten zwischen 2,4 und 2,8 Grad Celsius entgegen.
Erste Gedanken an eine Beschneiungsanlage auf der Planneralm gab es vor schon 18 Jahren. Doch fehlte damals der Bedarf dafür. Dass der Schneefall vor Weihnachten mehrmals ausbleibt, war nie ein Thema. "Natürlich schwankt die Schneelage von Jahr zu Jahr und je nach Region stark. Und es gibt auch mehrjährige Perioden mit mehr oder weniger Schnee. Aber langfristig hängt die Schneelage stark vom Temperaturniveau ab und damit vom Ausmaß der Klimaerwärmung durch den menschlich verursachten Treibhauseffekt", sagt Andreas Gobiet (ZAMG), Leiter des Projektes "Future Snow Cover Evolution in Austria". Fast 115 Jahre formten das Image vom "Naturschneeskigebiet" Planneralm. Der niederösterreichische Alpenverein Reichenstein war es, der 1908 ein schneesicheres Gebiet zum Tourengehen gesucht hat. "Die haben sich die ganze Region über Jahre hinweg angeschaut und sind draufgekommen, dass es auf der Planneralm vom Süden und vom Norden her regelmäßig kontinuierlich Schnee gibt", sagt Waupotitsch.
Klimawandel trifft Teuerung
Am Image festzuhalten hätte Planungsunsicherheiten für alle Beteiligten im Dorf, das über das gesamte Jahr sieben fixe Bewohner zählt, bedeutet: die Gastronomie und Hotellerie, das Kinderland und schließlich das Skigebiet selbst.
Die aktuell hohe Inflation von rund zehn Prozent macht auch um die Planneralm keinen Bogen. So sei die Schneebären-Card, ein Liftkartenverbund mit den umliegenden Skigebieten Tauplitz, Riesneralm, Kaiserau und dem Loser in Altaussee um circa sieben Prozent teurer geworden. Die Tageskarte für Erwachsene ist mit 48 Euro immer noch verhältnismäßig günstig. Mit anderen großen Skigebieten im Ennstal möchte sich die Planneralm aber ohnehin nicht vergleichen: "Das sind ganz andere Dimensionen dort als bei uns, wo das Skigebiet familiär geführt wird und Investitionen langfristiger getätigt werden", sagt Waupotitsch. So werden sich der rund 50.000 Kubikmeter Wasser fassende Speicherteich, die 27 Schneekanonen sowie die dazugehörende Technik in 15 bis 20 Jahren amortisieren.
Der Speicherteich speise sich rein aus dem Schmelzwasser und darf nur für die Dauer von 30 Tagen am Ende einer Wintersaison gefüllt werden. Circa ein halbes Jahr später dienen 30 bis 40 Zentimeter "technischer Schnee" auf sechs der acht Pisten als Grundbeschneiung, worauf später der Naturschnee liegen bleibt. "Vorstellen kann man sich das wie einen Estrich vor dem Beginn der Skisaison, danach beschneien wir nicht mehr", sagt der verantwortliche Schneemeister Martin.
Einsparungen möglich
Drei Pistenraupen gibt es auf der Planneralm. Heuer versuche man, die Präparierung mit nur zwei davon zu schaffen. Außerdem wird im Skigebiet versucht, windverwehten Naturschnee aufgefangen: "Das ist ein 20 Meter langer Zaun, der den Schnee trapezförmig fängt. Beim Drüberfahren merkt man auch keinen Unterschied, das ist der gleiche Schnee und das werden wir noch ausdehnen, einfach, dass wir noch mehr mit dem Naturschnee arbeiten können", erklärt der Schneemeister. Zudem bestehe aufgrund eines Verbindungsweges mittlerweile auch die Möglichkeit, einen Sessellift ohne Konsequenzen außer Betrieb zu nehmen. "Bei schwacher Auslastung können wir einen Lift (Anm. die Rotbühelbahn) wegschalten und die Gäste erreichen trotzdem alle Pisten und Lifte", sagt Waupotitsch. Österreichweit werden solche Energiesparmaßnahmen kaum ins Gewicht fallen. Weniger als ein Prozent des jährlichen Endverbrauches entfällt hierzulande laut dem Umweltbundesamt auf den Wintertourismus.
Dass aufgrund der Teuerung viele Gäste ausbleiben, glaubt man auf der Planneralm nicht. So rechne man - wie in den vergangenen beiden Winter - mit mehr Tagesgästen, vor allem aus den östlich angrenzenden Bundes- und Nachbarländern. Zwar könne es sein, dass in der Nebensaison möglicherweise weniger Familien kommen. Durch den frühen Saisonstart sei die Buchungslage in den Weihnachtsferien aber gesichert: "Wenn der Skibetrieb Anfang Dezember startet, dann bist du als Skigebiet im Gespräch. Das ist einfach diese wichtige Mundpropaganda", sagt der Schneemeister Martin. Dieses wichtige "im Gespräch sein" - ohne Beschneiungssystem wäre das auf der Planneralm nicht garantiert.
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Wifo: Preisauftrieb droht Wintertourismus zu bremsen
Indes trüben die hohe Inflation und die Verwerfungen auf den Energiemärkten die Umsatzaussichten der österreichischen Tourismusbetriebe für die Wintersaison und sorgen dafür, dass sich viele Menschen beim Reisen zurücknehmen. Laut Umfragen wollen nur 70 Prozent der heimischen und zwei Drittel der deutschen Befragten diesen Winter definitiv verreisen, so das Wifo in einer Analyse. Viele wollen auch billiger verreisen und vor allem bei Einkäufen, Gastronomie und Unterkunft sparen.
"Destinationen, die sich auf einkommensstarke Gästeschichten spezialisiert haben, könnten somit besser durch die Krise kommen", schlussfolgert das Wifo in seiner neuesten Tourismus-Analyse. Umsatz und Wertschöpfung könnten in dieser Wintersaison daher stärker leiden als die Zahl der Nächtigungen und Ankünfte. Eine solide Buchungslage zu Saisonstart könnte die Branche jedoch unterstützen. Nach Schätzungen des Wifo könnte der Nächtigungsrückstand in dieser Saison im Vergleich zum Winter 2018/19 auf 5 Prozent reduziert werden.
Sommersaison lief gut
Die vergangene Sommersaison lief indessen gut. Mit rund 78 Millionen Übernachtungen sei nahezu das Niveau des Vor-Corona-Sommers 2019 erreicht worden, gefehlt haben nur noch 1,4 Prozent. Geholfen hat vor allem die starke Inlandsnachfrage. "Mit 24,3 Millionen Nächtigungen wurde in diesem Segment ein neuer Höchstwert erreicht (plus 4,4 Prozent im Vergleich zur Saison 2019)", schreibt das Wifo.
Aber auch internationale Gäste kamen wieder vermehrt nach Österreich. Im Vergleich zum Sommer 2019 waren es nur noch 3,8 Prozent weniger, im Vergleich zum Vorjahr sogar rund ein Viertel (26,5 Prozent) mehr.
Das Wifo schätzt die Tourismus-Einnahmen für den Sommer 2022 auf nominell 14,7 Milliarden Euro (plus 0,8 Prozent gegenüber der Saison 2019). Preisbereinigt fielen die Einnahmen aber wegen der Inflation des touristischen Warenkorbes um 14,7 Prozent geringer aus als im Sommer 2019.