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Skopje: Polizei am Abgrund

Von Alexander U. Mathé aus Mazedonien

Europaarchiv

Experte warnt vor Personalabbau in Mazedonien. | Skopje.Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien strebt in Richtung EU und die EU tut alles, um Mazedonien an sich zu binden. Millionen Euro fließen in den Aufbau des Landes, doch im Bestreben, Mazedonien EU-fit zu machen, dürfte Brüssel derzeit das Kind mit dem Bad ausschütten. Das Abspeckprogramm, das die EU der mazedonischen Polizei nämlich verordnet hat, könnte statt der geplanten schlagkräftigen Einheit nach westeuropäischen Vorbild schon bald eine ineffektive Rumpftruppe hinterlassen, die den steigenden Anforderungen in dem Land an der Grenze zum Kosovo nicht gewachsen ist.


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Gut 8000 Polizisten zählt das Zwei-Millionen-Einwohner-Land derzeit. Zuviel, befand man in Brüssel und legte Skopje nahe, 1000 bis 1200 Sicherheitskräfte abzubauen. Das erklärt Pierre Chassagne von der Beratungsgesellschaft Civipol des französischen Innenministeriums, die darauf spezialisiert ist, Polizeireformen im Ausland durchzuführen. Der Wunsch Brüssels ist Skopje Befehl, schließlich will man alles tun, um in den Genuss der EU-Visafreiheit zu gelangen und irgendwann vielleicht der EU selbst beizutreten.

Jung und unerfahren

Der Vorschlag kommt jedoch laut Chassagne, dem Polizei-Reformbeauftragten in Mazedonien, ausgesprochen ungünstig. Mit Müh und Not habe man gerade erst so etwas wie eine Polizeiakademie geschaffen, die diesen Namen auch verdient. "Bisher war das ein Universitätslehrgang", sagte Chassagne dieser Tage vor Journalisten. Erst 2011 verlassen die ersten Kadetten, die heuer rekrutiert wurden, die Akademie. "Dann braucht es noch einmal vier Jahre, bis sie erfahren genug sind, um als vollwertige Polizisten ihren Dienst zu versehen". Die bevorstehende Stellenstreichung zielt insbesondere auf die alte Generation in der Polizei ab. "Sie können sich selber ausrechnen, was das ergibt, wenn man noch keine ausgebildeten Polizisten hat und dafür die erfahrensten verliert", führte Chassagne weiter aus.

Ein weiteres Problem, das den Franzosen derzeit beschäftigt, ist die Entpolitisierung der Polizei. Die ist derzeit Angelegenheit der Gemeinden, geregelt durch das Friedensabkommen von Ohrid, das seinerzeit die Kämpfe zwischen der albanischen Guerilla und den mazedonischen Sicherheitskräften beendete. Die Übertragung weitreichender Aufgaben auf die Lokalbehörden sollte der albanischen Minderheit mehr Selbstbestimmung bringen.

Mittlerweile ist diese Regelung zum Problem geworden. Denn die Polizeikommandanten stehen meist der Partei ihres Bürgermeisters nahe. So komme es bei Wahlen zu Unstimmigkeiten. "In sensiblen Regionen werden die Wahlen daher extern organisiert", erklärte Chassagne. Er hofft, dass es gelingen wird, zumindest einen zusätzlichen Polizeikörper aufzubauen, der direkt dem Innenministerium untersteht.