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Sachverständiger durchforstete Bilanzen, fand Auffälliges, aber keine Malversationen.
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Wien/Korneuburg. In der 830-Millionen-Euro-Affäre um die Errichtung des Flughafen-Terminals Skylink, heute "Check-in 3" genannt, liegt das 550 Seiten starke Gutachten des Sachverständigen Martin Geyer vor. Geyer wurde im Ermittlungsverfahren (Aktenzahl 7 St 173/09k) gegen die früheren Flughafen-Vorstände Gerhard Schmid, Christian Domany und Herbert Kaufmann sowie gegen den Ex-Aufsichtsrat Johannes Coreth wegen des Verdachts des Betruges, der Untreue und der Bilanzfälschung beauftragt, die Bilanzen der Flughafen Wien AG zu durchleuchten. Und zwar: "Welche Auswirkungen die Umbuchungen betreffend Anlagen im Bau im Zusammenhang mit der Terminalerweiterung ‚P-3770 Skylink‘ samt Schnittstellenprojekten haben, insbesondere ob sie eine unrichtige Darstellung der Jahresabschlüsse bewirkten." Zugleich musste er "zwecks Überprüfung der Bilanzkontinuität die Bauvorhaben ‚Pier West‘ und ‚Skylink‘ vergleichen". Detail am Rande: Die Verdächtigen bestreiten alle Vorwürfe.
Verspätete Umbuchungen
Nicht zu seinem Auftrag gehörten, wie Geyer anführt, "die Überprüfung und der Nachvollzug der Rechtmäßigkeit oder Ausgliederung von Projekten aus dem Projekt Skylink oder die des Budgets". Geyers Team wühlte sich durch Buchhaltung, E-Mail-Verkehr und Vernehmungsprotokolle.
"Die Umbuchungen, die vom Anlagevermögen in den Aufwand erfolgten, welche vor allem auf Planungsschwierigkeiten und Rechtsstreitigkeiten zurückzuführen waren, sind für uns plausibel, da vielmehr das Belassen von ‚Stranded Costs‘ (Anm.: verlorenen Kosten) und Instandhaltungen im Anlagevermögen zu einer fehlerhaften Darstellung geführt hätte, da dann ein höherer Wert des Anlagevermögens aufgewiesen worden wäre als tatsächlich vorhanden", beurteilt Geyer die Bilanzierung. "Anzuführen ist jedoch, dass Umbuchungen teilweise eher verspätet durchgeführt worden sind."
Obwohl der Warenzugang, die Rechnungslegung und Prüfberichte in manchen Fällen bereits 2007 und 2008 erfolgt waren, "dürften die Umbuchungen mit der Umstrukturierung aufgrund von Schwierigkeiten, einer neuen Projektleitung 2009 und dem Aufrollen einiger Vorkommnisse verbunden gewesen sein".
So fanden 2009 Umbuchungen von Gutachter- und Anwaltskosten (1,32 Millionen Euro), Schadensfällen (1,819 Millionen Euro) und "verlorenen Kosten" (3,272 Millionen Euro) statt. In letzterem Fall wurden die angefallenen Planungskosten (Jänner bis Mai 2009) nur mit der Hälfte der tatsächlichen Kosten (6,545 Millionen Euro) umgebucht. "Die Höhe von 50 Prozent basiert rein auf Schätzung", meint Geyer. "Aus Sachverständigensicht kann die Höhe des Prozentsatzes nicht nachvollzogen werden." Auch seien den vom "Skylink" auf andere Projekte umgebuchten Beträgen falsche Projekte und Unterprojekte zugeteilt worden, heißt es in Geyers Analyse. Generelles Fazit des Gutachters: "Bei der durchgeführten Analyse der Einzel- und Konzernabschlüsse wurden uns keine Verstöße gegen die Bilanzkontinuität ersichtlich." "Weiters ist anzuführen, dass die 2009 in den Aufwand umgebuchten Beträge (8,4 Millionen Euro) im gesonderten Anhang der Jahresabschlüsse als Skylink-Aufwendungen dargestellt werden", stellt der Experte fest.
Justiz ermittelt weiter
Indes bestätigte Friedrich Köhl von der zuständigen Staatsanwaltschaft Korneuburg der "Wiener Zeitung", dass das Ermittlungsverfahren 7St 173/09k nach wie vor anhängig ist. "Die großen Vorwürfe sind nicht erledigt, da wird noch ermittelt", sagt Köhl. Wie berichtet, ist ein Nebenverfahren gegen früheren Flughafen-Vorstand Ernest Gabmann und den Kaufmann Rakesh Sardana, dessen Geschäfte am Airport eingemietet sind, eingestellt worden. Die polizeilichen Ermittlungen in Sachen Skylink leitet der Wirtschaftskriminalist Karl Eckerl vom Landeskriminalamt Niederösterreich.
Chronologie
Vor gut 13 Jahren wurde der dritte Terminal für den Flughafen Wien-Schwechat geplant. Der sogenannte "Skylink" ging aber erst Anfang des vergangenen Monats in Betrieb – unter dem neuen Namen "Check-in 3". Denn mit dem alten Etikett verbindet Österreich ein Baudebakel, das seinesgleichen sucht. Flankiert von mutmaßlichen Korruptions- und Polit-Skandalen haben sich die Kosten des Megaprojekts mehr als verdoppelt. Anstatt der ursprünglich veranschlagten 400 Millionen Euro explodierten die Kosten auf rund 830 Millionen Euro. Die Fertigstellung des Flughafenausbaus verzögerte sich um dreieinhalb Jahre: von Herbst 2008 auf Juni 2012. 2009 zog der Flughafen nach einer internen Prüfung des Projekts die Notbremse und verhängte einen Baustopp.
In der Folge nahm auch der Rechnungshof das Baugeschehen am Vienna Airport unter die Lupe und kritisierte die Bau-Organisation scharf. Quasi zeitgleich schaltete sich die Justiz aufgrund einer anonymen Anzeige ein und begann, gegen Airport-Manager und Aufsichtsorgane zu ermitteln. Strafrechtliche Vorwürfe werden zurückgewiesen. Nachdem der Aufsichtsrat die Verträge der Alt-Vorstände vorzeitig auflöste und hohe Abfertigungen auszahlte, übernahmen Julian Jäger und Günther Ofner 2011 die Airportleitung. Ruhe ist seitdem aber nicht eingekehrt. Es sind diverse Rechtsstreitigkeiten anhängig. Die Stadt Wien und das Land Niederösterreich sind mit je 20 Prozent Hauptaktionäre der börsennotierten Flughafen Wien AG, zehn Prozent der Aktien hält die Mitarbeiterstiftung.