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@slim404 , desillusionierter Staatssekretär

Von Alexander U. Mathé

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Slim Amamou war eines der Symbole der Jasmin-Revolution in Tunesien und wurde zum Staatssekretär für Jugend berufen. Anfang der Woche ist er zurückgetreten.


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@slim404 hat das Handtuch geworfen. Slim Amamou mit bürgerlichem Namen, schrieb der Tunesier unter diesem Decknamen im Internet für die Freiheit und engagierte sich in der Piratenpartei. Das brockte dem Cyberspace-Revolutionär während der Jasmin-Revolution im Jänner eine Verhaftung ein. Die Popularität Amamous konnte dadurch nicht gebrochen werden. Er avancierte zur Symbolfigur des Widerstandes und der Freiheit in Tunesien. Nach dem Sturz von Präsident Zine Ben Ali wurde er in die Übergangsregierung berufen: als Jugendstaatssekretär. Doch dieses Amt hat er Anfang dieser Woche desillusioniert niedergelegt.

Die Art, wie der 33-Jährige am 18. Jänner sein Amt antrat, war umstritten, zeigte aber, was er wollte: Befreiung von Zwängen, Traditionsbruch, Jugendlichkeit, Dynamik. Er erschien ohne Krawatte zu seiner Vereidigung und sorgte damit unter Konservativen für einen kleinen Skandal.

Voller Elan engagierte er sich sogleich für die Freiheit im Internet, die unter Ben Ali stark eingeschränkt war. Und so berichtete er auch via Internetplattform Twitter über Kabinettsitzungen. Das gefiel zwar nicht jedem, doch Amamou war das Symbol für das "neue Tunesien".

Amamous anfängliche Euphorie sollte schon bald gebremst werden. Immer mehr wurde ihm bewusst, dass das alte Regime noch immer seine Hand an den Hebeln der Macht hat und sein Arm sogar bis in die Übergangsregierung reicht. Letztes Ärgernis für Slim war die Empfehlung der unabhängigen Wahlkommission, die Wahlen in Tunesien vom angesetzten 24. Juli auf den 16. Oktober zu verschieben. Zwar hat die Regierung am Dienstag erklärt, sie wolle doch am ursprünglichen Wahltermin festhalten, doch auch so haben die Unbilde, die Slim durchgemacht hat, für ihn das Maß des Erträglichen weit überschritten.

Etwa als die Regierung auf die Forderung der Armee hin vier kritische Websites schloss. Dies ist für ihn eine Rückkehr zu den alten Zeiten der Zensur. Dem Kampf dagegen will Amamou nun all seine Kräfte widmen. "Das, was du durch Zensur verlierst, ist mehr als das, was du gewinnst", erklärte er einmal.

Bereits während seiner Amtszeit als Staatssekretär war für Amamou klar, dass er nicht in der Politik bleiben will. "Politik ist unschön, man muss so vielen Interessen und Leuten gerecht werden", sagte er in einem Interview. Viel lieber wollte er Lobbyist für ein freies Internet werden. Dem steht jetzt nichts mehr entgegen. Und das Resümee über seine Zeit als Politiker? "Es war eine wichtige, aber ermüdende Erfahrung", sagte er, als er am Montag zurücktrat.