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Slow-Food für die Ohren

Von David Baldinger

Wirtschaft
Heinz Lichtenegger setzte auf Timing und Instinkt. Heute ist er Weltmeister, und jeder Vierte genießt Vinyl auf einem Pro-Ject-Plattenspieler.
© Baldinger

Heinz Lichteneggers Gespür für Musik: Pro-Ject feiert mit Minimalismus Erfolge.


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Wien. Gregor Schlierenzauers Kopfhörer machen Heinz Lichtenegger rasend. Nicht, dass der weltweit erfolgreichste Hersteller von Plattenspielern etwas gegen den Überflieger hätte. Für den Waldviertler Hi-Fi-Freigeist aber steht der Sportler als Kopfhörer-Testimonial für ein Geschäftsmodell, das er ablehnt. "Diese Firmen haben solche Margen auf ihren Produkten, dass sie billig in China produzieren müssen. Da kostet die Produktion nichts, und das gesamte Geld geht ins Marketing", kritisiert er.

Dass man auch anders erfolgreich sein kann, zeigt Lichtenegger mit seinem Unternehmen Pro-Ject Audio Systems. Mittlerweile kommt jeder vierte weltweit verkaufte Plattenteller von der Firma mit Sitz in der Wiener Margaretenstraße.

Plattenspieler in Zeiten eines irrwitzigen Musikangebots, das noch dazu mobil verfügbar ist - Anachronismus als Geschäftsmodell? Mitnichten. Qualitativ hochwertiger Hörgenuss zählt auch in Zeiten des Downloads, ist Lichtenegger überzeugt. "Bill Gates hatte recht: Die Musik wird frei sein, und der Unterschied liegt nur noch in der Qualität und der Haptik. Der miese Download ist gratis, für eine etwas höhere Qualität zahlt man bereits, und genauso bleibt es bei der Haptik. Die CD fällt durch, weil man mit der Platte im Prinzip alles hat: Hören, Sehen und Fühlen."

"Wie beim Kochen - die Zutaten machen’s aus"

Lichteneggers Philosophie ist schnell umrissen: hochwertige Produkte, die bei minimalistischer Ausstattung ein Maximum an Hörvergnügen bieten. 13 Plattenspieler und 7 Mikrokomponenten hat Pro-Ject im Angebot. Überschaubar und einfach gehalten. "Es ist wie beim Kochen", vergleicht Lichtenegger. "Die Zutaten machen’s aus. Ich kann auch in einer Kleinstküche großartige Gerichte zubereiten." Vorausgesetzt der Koch weiß, was er tut. Lichtenegger sieht Parallelen zu Slow-Food. Entschleunigung als Rezept gegen permanente Reizüberflutung. "Bewusst Musik zu hören ist eine Gabe, die man lernen muss. Eine wunderschöne Sache, wie Yoga oder Meditieren", lautet sein Ansatz.

Als 2012 erstmals die Weltmeister der Unterhaltungselektronik global im Internet gewählt wurden, räumte Pro-Ject ab. Der Plattenspieler RPM 10.1 gewann Gold. Aus dem Underdog ist mittlerweile ein etablierter Player geworden. Produziert wird in Tschechien, wo etwas mehr als 300 Leute tätig sind, 22 arbeiten in Wien im Vertrieb und im Marketing, weitere 50 in der Slowakei in der Elektronikproduktion. Drei Länder und knapp 380 Mitarbeiter - ein gut ausgestatteter mittlerer Betrieb mit internationaler Ausrichtung.

"Kein Unternehmer-, sondern ein Arbeiterland"

Nur fünf Prozent seines Geschäfts macht Lichtenegger in Österreich. Seine Hauptmärkte liegen anderswo: Deutschland, USA, Großbritannien, Kanada, Japan, Russland, Australien. In mehr als 80 Länder werden seine Plattenspieler mittlerweile geliefert.

Trotz des weltweiten Erfolges hadert der Pro-Ject Chef. "Österreich ist immer noch ein Arbeiterland, kein Unternehmerland", so seine Sicht der hiesigen Unternehmenskultur. Erfolgreich zu sein, werde eigentlich nicht gewünscht. "Es wäre leicht, den Standort zu wechseln." Was hält ihn in Österreich? "Eine gewisse Melancholie und das Weinviertel, das mir viel Ruhe gibt." Ruhe und die Möglichkeit, aus der permanenten Vernetzung eines internationalen Unternehmers auszubrechen. Fast die Hälfte seines Lebens verbringt er im Flugzeug. Dass er dabei gerne einmal ein paar Tage anhängt, um ein Gefühl für das jeweilige Land zu bekommen, gehört dazu.

Nächster Halt: Südafrika. "Dort sind sehr interessante Geschäftsmöglichkeiten, ein wachsender Mittelstand - das werde ich mir jetzt zwei bis drei Wochen lang geben." Ein Plattenspieler-Produzent in heavy rotation.