Ermordung eines Staranwalts weckt böse Erinnerungen. | Bratislava. "Nein, nein, nein und nochmals nein, wir gehen nicht von einer Abrechnung durch die Mafia aus", versucht der slowakische Innenminister Daniel Lipsic seit Tagen die Öffentlichkeit zu beruhigen. Nicht nur die Einwohner von Bratislava sind seit der Ermordung des prominenten Rechtsanwalts und früheren Präsidenten des Verfassungsgerichts der CSFR Ernest Valko zutiefst verstört. Er wurde am Montagabend in seiner Villa in Limbach, einem Vorort der Hauptstadt, erschossen. Über mögliche Motive und den Hergang der Tat schweigen sich die Ermittler aus.
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Ersten Berichten zufolge wurde Valko mit einem gezielten Schuss getötet, inzwischen ist von zwei Schüssen in Brust und Kopf die Rede. In einem letzten Telefongespräch soll Valko Aceton erwähnt haben, mit dem der Mörder später seine Spuren verwischt haben könnte. Neben den polizeilichen Ermittlern und der Generalstaatsanwaltschaft befasst sich auch die Behörde zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität mit dem Fall. "Droht uns ein Rückfall in die Neunziger?", denken deshalb inzwischen nicht wenige Menschen laut nach. Damals wurde das Ansehen der noch jungen Slowakei immer wieder durch Schießereien auf offener Straße beschädigt, die eindeutig einen mafiösen Hintergrund hatten.
Politiker treiben in diesen Tagen noch ganz andere Sorgen um. Ein betretenes "Er war mein Bekannter" ist derzeit nicht nur aus einem Munde zu hören. Nicht selten schwingt darin die bange Frage mit: "Bin ich vielleicht der Nächste?" Valko unterhielt ausgezeichnete Kontakte zur regierenden Mitte-Rechts-Koalition. Die SDKU-DS von Außenminister Mikulas Dzurinda warb lange intensiv um ihn.
Steuerhinterziehung
Derzeit wird heftig spekuliert, ob Valko den slowakischen Staat demnächst vor Gericht gegen die nationale Lottogesellschaft Tipos vertreten sollte, deren Geschäftsführung den Fiskus angeblich um rund 66 Mio. Euro gebracht hat. Eine offizielle Bestätigung dafür durch das zuständige Finanzministerium gibt es nicht. Valko selbst soll in den vergangenen Wochen immer wieder angedeutet haben, er wisse zu viel über diesen Fall.
Hohe Regierungsbeamte nennen die Ermordung Valkos "ein schlechtes Beispiel", das hoffentlich nicht Schule machen werde. Die Regierung lege in diesen Monaten zahlreiche neue Projekte auf, und es sei durchaus vorgekommen, dass "Interessenten" damit gedroht hätten, man werde sich schon "unmissverständlich" durchsetzen, falls man nicht von vornherein berücksichtigt werde. Wie gewichtig dieser Druck tatsächlich ist, lässt nur erahnen. Zuletzt wurde Anfang August über den Einfluss von "Interessenten" auf die Politik spekuliert, als Finanzminister Ivan Miklos einen Vorschlag zur verpflichtenden Umrüstung von Registrierkassen zurück, die an sich bis Anfang nächsten Jahres geplant war. Die Kassen sollen nun zu einem noch unbestimmten späteren Zeitpunkt so eingerichtet werden, dass sie nur noch einen statt wie bisher beliebig viele Belege für eine Transaktion ausgeben können. Offiziell wurde mit der Verschiebung dem Umstand Rechnung getragen, dass gerade kleinere Geschäftsleute die technischen Neuerungen nicht so schnell wie ursprünglich vorgesehen bewältigen könnten. Tatsächlich soll es nachdrückliche Eingaben bestimmter "Interessenten" gegeben haben, die um ihre bisherigen "Sondereinnahmen" aus dem Verkauf von Alkohol in kleinen Verkaufsstellen bangten, welche ihnen angeblich dank verschieden lautender Mehrfachbelege zufließen.