Projektgesellschaft für fünften Block in Jaslovske Bohunice. | Bevölkerung rund um Mochovce ist für die dort bis 2013 geplante Erweiterung. | Pressburg. Ende Mai findet in Prag das 4. Europäische Kernenergieforum statt - ganz im Zeichen der Renaissance dieser Form der Stromerzeugung. Während Tschechien bereits den Ausbau von Temelin fixiert hat, wird dort auch ein Meilenstein für den Umbau der slowakischen Kernkraftwerkslandschaft markiert. Am Rande der Tagung soll zwischen der slowakischen Kernkraftgesellschaft Javys und dem tschechischen Energiekonzern CEZ der Vertrag über die Gründung eines Unternehmens unterzeichnet werden, das für den Bau eines neuen Kernreaktors im westslowakischen Jaslovské Bohunice zuständig ist.
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Aller Voraussicht nach wird Javys zunächst mit 51 Prozent, CEZ mit 49 Prozent an dem Unternehmen beteiligt sein. Mittelfristig will die slowakische Regierung auch den deutschen Energiekonzern RWE als Investor gewinnen.
Bei dem Projekt handelt es sich um den größten Auftrag, der in der Slowakei bisher vergeben wurde. Die Kosten für den Bau des neuen Reaktors - es wäre der fünfte auf dem Areal des Kernkraftwerkparks Jaslovské Bohunice - werden vom slowakischen Wirtschaftsministerium mit 4 bis 6 Milliarden Euro veranschlagt, allein für die Vorbereitungen sind rund 232 Millionen Euro vorgesehen. Bis Oktober 2010 will Ressortchef Lubomír Jahnátek darüber entscheiden, wie das Vorhaben konkret finanziert werden soll, dann soll eine Machbarkeitsstudie vorliegen. Mit dem Bau des Reaktors soll im Jahr 2013 begonnen werden, in Betrieb gehen soll er im Jahre 2020.
Schon deutlich weiter sind die Arbeiten in Mochovce gediehen, wo sich der zweite slowakische Kernkraftkomplex befindet. Anfang November fiel der offizielle Startschuss für die Erweiterung des Kraftwerks um einen dritten und vierten Reaktor. Zurzeit läuft die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Ausbau, bei der auch Österreicher ihre Einwendungen vorbringen können.
UVO für Mochovce läuft
Der slowakische Außenminister Miroslav Lajcák hatte bei seinem Antrittsbesuch in Wien Anfang März betont, dass es der Slowakei um den Schutz der Bevölkerung in beiden Ländern gehe und man deshalb größten Wert auf Transparenz lege. Genau das wird von österreichischen Atomkraftgegnern bezweifelt. Man befürchte, dass "die entscheidenden Themenbereiche, die die mangelnden Sicherheitsstandards betreffen", im Bericht der Slowakei zum Start der UVP gerade nicht enthalten seien, heißt es in einer Presseaussendung von Global 2000.
Dabei ist die Aufregung in Österreich offenbar deutlich größer als in der Slowakei. Dem Meinungsforschungsinstitut GfK zufolge befürworten nicht weniger als 87 Prozent der Bevölkerung im Umkreis von zehn Kilometern rund um Mochovce den Ausbau des Kraftwerks.
Der slowakische Botschafter in Wien, Peter Lizák, weist gegenüber der "Wiener Zeitung" darauf hin, dass die Europäische Kommission Empfehlungen zum Ausbau von Mochovce vorgelegt habe, welche die slowakische Nuklearaufsicht als verbindlich übernommen habe. Darüber hinaus würden bei dem Projekt nicht nur alle internationalen Bedingungen erfüllt, sondern es werde auch internationalen "best practices" entsprochen, wie es der unabhängige internationale Sicherheitsrat festgestellt habe. Im Übrigen sei mehrfach bestätigt worden, auch von der Internationalen Agentur für Atomenergie, dass die Reaktoren des ersten und zweiten Blocks in Mochovce westlichen Standards entsprächen.
Die Slowakischen Elektrizitätswerke (SE), an denen der italienische Energiekonzern Enel mit 66 Prozent die Mehrheit hält, werden als Betreibergesellschaft rund 2,8 Milliarden Euro investieren. SE will den ersten der beiden neuen Reaktoren im Herbst 2012, den zweiten spätestens in der ersten Hälfte des Jahres 2013 in Betrieb nehmen. Beide Blöcke würden dann eine installierte Leistung von jeweils 880 Megawatt (MW) aufweisen, der heimische Strombedarf wird damit zu 22 Prozent gedeckt.
55 Prozent allen Stroms
Durch die beiden neuen Blöcke soll der Wegfall der Stromerzeugung im Block V1 des zweiten slowakischen Kernkraftwerks Jaslovské Bohunice kompensiert werden. Die Slowakei hatte sich im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 dazu verpflichtet, V1 bis Ende 2008 vollständig vom Netz zu nehmen. In den beiden schon vorhandenen Blöcken in Mochovce werden jährlich jeweils 3 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Dies entspricht zehn Prozent des jährlichen slowakischen Energiebedarfs.
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat mehrfach deutlich gemacht, dass Kernenergie ein wesentlicher Bestandteil des nationalen Energiemix ist und auch bleiben wird. Kernenergie sei eine Bedingung für eine "dauerhaft nachhaltige Entwicklung und ein sehr wichtiger Bestandteil der Energieversorgung" und darüber hinaus unter Umweltaspekten eine wirkliche Alternative.
Einem Strategiepapier des Wirtschaftsministeriums zufolge sollen über Kernenergie im Jahre 2030 mehr als 55 Prozent des in der Slowakei verbrauchten Stroms erzeugt werden.
An ihrem Ja zur Kernenergie hält die Regierung in Bratislava insbesondere auch nach den Erfahrungen im russisch-ukrainischen Gastransitstreit im Januar fest, wenngleich sie seither auch die Nutzung regenerativer Energien, insbesondere der Biomasse, forciert.
V1 wurde damals auf massiven Druck aus Brüssel hin doch nicht wieder in Betrieb genommen, das Kabinett legte aber mit einem Beschluss zumindest die theoretische Grundlage dafür. Denn der Slowakei drohte nach offizieller Begründung wegen des Stopps der Gaslieferungen aus Russland auch ein Kollaps bei der Stromversorgung, da viele Kraftwerke im Land mit Gas befeuert werden.