EU-Verfahren wird in Kauf genommen. | Stromwirtschaft äußert Zweifel an Notwendigkeit. | Pressburg. Die Vorbereitungen für eine Wiederinbetriebnahme des zweiten Reaktors im slowakischen Kernkraftwerk V1 Jaslovské Bohunice laufen auf Hochtouren. Der Reaktor könne innerhalb von drei bis vier Tagen wieder ans Netz gehen, teilte Regierungschef Robert Fico nach einer Sitzung des wegen des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine eingerichteten Krisenstabs am Montag mit.
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Wenn es nicht in den nächsten Stunden zu einer erneuten Belieferung mit russischem Gas komme, werde Wirtschaftsminister Lúbomír Jahnátek die Wiederinbetriebnahme von V1 anordnen. Damit käme es zwar zu einer Verletzung der Verträge über den Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union, aber wir "tun das nicht aus Plaisir, sondern weil uns die Krise dazu zwingt".
Jahnátek selbst variierte vor dem Treffen der EU-Energieminister die Begründung allerdings ein wenig: Die Stromversorgung im Land sei derzeit ein größeres Problem als das Ausbleiben der Gaslieferungen. Die Situation verbessere sich nicht dadurch, dass "heute oder morgen die russischen Gaslieferungen wieder aufgenommen werden". Es vergingen 65 bis 72 Stunden, bis Gas in der Slowakei ankomme, und ungefähr 21 Tage, um das Heizkraftwerk Nováky wieder anlaufen zu lassen. Dort war in der Nacht ein Feuer ausgebrochen. Nun drohe ein Totalausfall in der Stromversorgung.
Das slowakische Kabinett hatte die Wiederinbetriebnahme des erst zu Silvester vollständig abgeschalteten Reaktors am Samstag beschlossen.
Unterdessen äußerten Vertreter der slowakischen Stromdistributionsunternehmen massive Zweifel an der Richtigkeit des Hochfahrens von V1. Auf dem Markt gebe es ausreichend Strom, notfalls könne dieser auch im Ausland zugekauft werden, zitierte die Tageszeitung "Sme" einen Sprecher der Westslowakischen Energiewirtschaft. Im Übrigen sei bei Strom weder ein Notstand ausgerufen noch ein beschränktes Regulierungssystem verhängt worden. Ein Sprecher der Slowakischen Elektrizitätswerke bewertete die mögliche Wiederinbetriebnahme von V1 allein unter dem Aspekt als sinnvoll, dass es "zu einer Überlastung des Stromssystems kommen kann, wenn die Produktion in der Industrie wieder voll angefahren wird, hier kann mit Strom aus Bohunice überbrückt werden".
Groß-Abnehmer von Gas wurden auch Montag nur mit einem Minimum beliefert, mit dem sie den technischen Betrieb ihrer Anlagen sicherstellen konnten. Um so bemerkenswerter ist es, dass Volkswagen Slovakia, das größte Unternehmen im Lande, gestern nach den Betriebsferien wieder die Produktion aufnahm.
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