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Slowakei droht ein Job-Exodus

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Wirtschaft

Investoren wegen Arbeitsrechtsnovelle erbost - Massenentlassungen befürchtet.


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Bratislava. 35.000 bis 50.000 Arbeitsplätze gehen bis Ende des Jahres in der Slowakei verloren, ist Lubos Sirota, Leiter der Personalvermittlungsagentur Trenkwalder in Bratislava, überzeugt. Dafür macht er die sozialdemokratische Regierungspartei Smer-SD von Ministerpräsident Robert Fico verantwortlich. Sie hat im Nationalrat eine Novelle des Arbeitsrechts durchgesetzt. Danach bekommen ab Jänner Beschäftigte wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mehr Geld als vorher. Es ist die dritte grundlegende Korrektur in nur fünf Jahren, zwei tragen Ficos Handschrift.

Sirota spricht Auslandsinvestoren aus dem Herzen. Da Kündigungen bald teuer würden, werde man sich noch heuer von "nicht notwendig benötigtem Personal" trennen, hatten Unternehmer im Juli über die Auslandshandelskammern angekündigt. Da lag die Arbeitslosenquote bei 14,2 Prozent. In der EU waren es im Schnitt 10,5 Prozent. Nur in Griechenland, Spanien, Irland und Portugal war es noch schwerer, einen Job zu finden, als in der Slowakei.

Die Situation hat sich nicht gebessert. Arbeitsminister Jan Richter beeindruckten die Drohungen der Auslandsinvestoren dennoch wenig. Denn die Unternehmer orientieren sich bei ihren Entscheidungen offenkundig kaum am Arbeitsrecht. Die Mitte-Rechts-Regierung von Iveta Radicova hatte eine Novelle verabschiedet, mit der sie Unternehmer zur Schaffung von Jobs motivieren wollte. Tatsächlich entstanden kaum neue Arbeitsplätze. Daran änderte auch die gesetzliche Verankerung von Gleitzeit und Arbeitszeitkonten nichts. Allerdings müssen die Arbeitgeber ab 2013 höhere Lohnnebenkosten einplanen. Dabei gehört die Slowakei zu jenen OECD-Staaten, in denen die höchsten Sozialabgaben zu leisten sind.

So hat ein Gekündigter, der länger als zwei Jahre beschäftigt war, künftig wieder Anspruch auf eine Abfindung und Gehaltszahlung während der Kündigungsfrist. Nachtzuschläge sind bis sechs Uhr statt wie bisher fünf Uhr in der Früh zu zahlen. Zuschläge für Überstunden sind innerhalb von vier Monaten statt wie bisher binnen Jahresfrist fällig.

Wegen der Neudefinition abhängiger Arbeit gelten außerdem etliche bisher freie Dienstnehmer als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer - und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags ist nur noch zwei- statt bisher dreimal möglich. Freie Dienstnehmer haben überdies künftig Anspruch auf Urlaub, den gesetzlichen Mindestlohn sowie Überstunden- und Feiertagszuschläge.

Auf 5,5 Millionen Einwohner kommen 364.546 Gewerbetreibende, auf die diese Regelungen anwendbar sind. Allerdings sinkt die Zahl der Gewerbetreibenden jährlich um rund 10.000, weil 2010 viele Vergünstigungen bei Steuern und Sozialabgaben entfielen. Viele haben deshalb Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet, bei denen sich die Steuerlast durch Geltendmachen von Verlusten besonders wirksam mindern lässt.