Zum Hauptinhalt springen

Slowakei: Ehe verliert an Bedeutung, Geburtenrate steigt

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Politik

Wertewandel nach dem Fall des Kommunismus 1989. | Pressburg. Das Slowakische Statistikamt wartete zu Wochenbeginn mit einer erfreulichen Überraschung auf. Zum ersten Mal seit 20 Jahren wurden im Vorjahr nämlich wieder mehr Kinder geboren. Insgesamt erblickten 18.452 kleine Slowaken das Licht der Welt. Das ist umso bemerkenswerter, weil sich 2008 schon die Wirtschaftskrise abzeichnete und Slowaken in den Vorjahren vor allem wirtschaftliche Gründe angaben, wenn es darum ging, warum sie sich gegen Kinder entschieden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Noch bemerkenswerter sind allerdings die weiteren Schlussfolgerungen der Statistiker aus der Entwicklung der Geburtenrate. Denn sie ziehen einen Vergleich zum letzten Jahr vor der Samtenen Revolution und konstatieren dabei eine erfreulichen Wandel in den Denkgewohnheiten. So wird inzwischen jedes dritte Kind in der Slowakei außerehelich geboren. 1988 war es gerade einmal jedes 20.

Weniger Abtreibungen

"Im Sozialismus lebten die Menschen mit ausgeprägten Vorurteilen, und ledige Mütter wurden regelrecht an den Pranger gestellt. Frauen wagten deshalb erst gar nicht, ein Kind zur Welt zu bringen, ohne vorher geheiratet zu haben", konstatieren die Statistiker. Und so hätten die Slowakinnen im Jahr 1988 gewissermaßen gezwungenermaßen einen traurigen Rekord aufgestellt: Auf 100 Geburten kamen nicht weniger als 71 Abtreibungen, 2008 waren es mit 32 Abtreibungen schon deutlich weniger.

"Außerehelich" bedeutet aber in der Slowakei weiterhin nicht, dass die Kinder nur von einem Elternteil aufgezogen werden. Vielmehr würden "reguläre Ehen" vor allem in größeren Städten immer mehr durch "wilde Ehen" abgelöst. Die Menschen im Nachbarland brechen also trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen nur zum Teil mit den Traditionen.

Der jüngste Geburtenzuwachs hat erstaunlich wenig mit dem zunehmenden Wohlstand zu tun. Die meisten Kinder kommen nach wie vor in der Ostslowakei zur Welt, wo die sozialen Probleme an sich am größten sind. Bei der Entscheidung für ein Kind spielten vor allem Religiosität und Ethnizität eine Rolle, heißt es in dem Bericht, womit die Statistiker indirekt auf die hohe Geburtenrate unter den vor allem in der Ostslowakei lebenden Roma anspielen.

Eurostat zufolge liegt die Slowakei im internationalen Vergleich mit 10,6 Lebendgeburten auf 1000 Einwohner an 16. Stelle unter den EU-Staaten. Österreich rangiert mit einer Geburtenziffer von 9,3 an Besorgnis erregender vorletzter Stelle vor Deutschland, das eine Geburtenziffer von 8,2 aufweist.