Frühere Sozialministerin Radicova aussichtsreichste Nachfolgekandidatin. | Pressburg. Während seiner achtjährigen Amtszeit als slowakischer Premier wurde Mikulás Dzurinda oft genug totgesagt. Der Christdemokrat schaffte es damals aber entgegen allen Unkenrufen immer wieder, trotz schärfsten Gegenwinds, der hauptsächlich aus den eigenen Reihen kam, weiterzuregieren. Das verdankte er vor allem dem Talent, im entscheidenden Moment auch diejenigen für seine Vorhaben zu begeistern, die ihm an sich überhaupt nicht gewogen waren.
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Dieses geschickte Händchen scheint Dzurinda allerdings seit dem Machtwechsel in Pressburg vor zwei Jahren vollkommen verloren gegangen zu sein. Momentan ist der Ex-Premier so sehr im freien Fall begriffen wie niemals zuvor. Seit mehreren Wochen schon wird er in seiner eigenen Partei SDKÚ-DS auf das Schärfste attackiert.
"Belastung"
Der ehemalige Verteidigungsminister Juraj Liska machte Ende Februar den Auftakt zu den öffentlichen Attacken auf Dzurinda, indem er diesen unverblümt als "zunehmende Belastung" bezeichnete, außerdem veröffentlichten 14 Parteimitglieder Anfang März ein Memorandum "Es ist Zeit für die Wende".
Dzurinda wehrt sich auf drastische Weise. Die Unterzeichner des Aufrufs wurden aus der Partei ausgeschlossen, in der Vorwoche beschloss die Parteispitze außerdem, die Basisorganisationen in der Region Pressburg aufzulösen, weil sie nicht handlungsfähig seien; tatsächlich kam die schärfste Kritik am Ex-Premier aus der Hauptstadt.
Als aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge Dzurindas gilt die frühere Sozialministerin Iveta Radicova. Sie ist heute die Parteirepräsentantin mit den höchsten Sympathiewerten und soll im Jahr 2009 zur Präsidentin kandidieren.
Radicova fordert die Einberufung eines außerordentlichen Parteikongresses, bei dem Strategie- und Führungsfragen geklärt werden sollen. Gegenüber der Tageszeitung "Hospodárske noviny" wies sie zuletzt Spekulationen darüber zurück, dass sie damit weiter zur Spaltung der Partei beitragen wolle, vielmehr solle endlich wieder der innere Frieden hergestellt werden. Hinter den jüngsten Entwicklungen stecke auch nicht die einstige Vize-Parlamentspräsidentin Zuzana Martináková, die Dzurinda im Jahre 2004 mit einem spektakulären Abgang und der Gründung ihrer eigenen Partei "Freies Forum" in Kalamitäten gebracht hatte, weil Dzurinda fortan nicht mehr auf eine sichere Mehrheit rechnen konnte.
Trotz dieser Beteuerungen scheint es nur noch eine Frage der Zeit, wann der langjährige Parteichef endlich abgelöst wird. Einen schwachen Trost hat Dzurinda: Er ist längst nicht der erste Parteiführer aus den Reihen der ehemaligen Mitte-Rechts-Koalition, der seit dem Machtwechsel 2006 unter scharfem Beschuss steht. So musste der Chef der Ungarnpartei SMK Béla Bugár schon im vorigen Frühjahr seinen Hut nehmen, KDH-Chef Pavol Hrusovský gilt als de facto entmachtet.
Von einer derart geschwächten Opposition profitiert vor allem der amtierende Premier Robert Fico, der seinen Vorsprung in der Wählergunst kontinuierlich ausbaut und zurzeit Favorit fast der Hälfte aller Wahlberechtigten ist.