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Slowakei: Oppositionschef gibt sich vor Wahl geschlagen

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Ex-Premier soll illegales Finanzimperium errichtet haben. | Opposition sucht nach neuem Spitzenkandidaten. | Bratislava. Mit derart harten Bandagen wurde vor slowakischen Parlamentswahlen noch nie gefochten. Vor elf Tagen erhob der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico erdrückende Geldwäsche-Vorwürfe gegen seinen Amtsvorgänger Mikulá Dzurinda. Zwischen 1998 und 2006 soll dieser seine Partei, die Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKÚ-DS), dazu missbraucht haben, ein illegales Finanzimperium zu errichten, dessen Ausläufer angeblich bis nach London reichen. Dzurinda ließ zunächst nur erklären, die SDKÚ-DS erstatte Strafanzeige gegen Fico. Am Montag gab er bekannt, er kandidiere nicht bei den Parlamentswahlen am 12. Juni, wenngleich er Parteivorsitzender bleibe. Der Wirtschaftsliberale Dzurinda sollte die stärkste Oppositionspartei als Spitzenkandidat in den kommenden Wahlkampf führen.


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Nur eine Stunde nach Dzurindas Erklärung präsentierte Fico Dokumente, wonach das frühere Hotel Fórum gegenüber dem Präsidentenpalast im Jahr 2003 auf fragwürdige Weise an der Dzurinda-Partei nahe stehende Geschäftsleute verkauft wurde.

Dzurinda selbst nannte zwei Gründe für seinen Rückzug. Im Wahlkampf solle es nicht um die Finanzierung der SDKÚ-DS, sondern um Programme und die Probleme der Menschen gehen. Auch wolle er zu einer Verjüngung der Partei beitragen. Dzurinda dürfte seinen Leuten allerdings zunächst einen Bärendienst erwiesen haben. Eines kam nämlich bisher nie vor im politischen Leben des passionierten Marathonläufers: ein Rücktritt. Insofern spekulieren selbst seine politischen Freunde darüber, ob Dzurinda nicht eigentlich durch Ficos Vorwürfe zur vorzeitigen Aufgabe bewogen wurde, zumal sich in den vergangenen Tagen etliche einstige Weggefährten zu Wort gemeldet hatten: Dzurinda habe die Finanzangelegenheiten der Partei stets als ganz persönliche Angelegenheit behandelt.

Wer folgt nach?

Als neue Spitzenkandidatin der SDKÚ will sich Iveta Radicová bewerben. Im April war sie Amtsinhaber Ivan Gaparovic bei den Präsidentenwahlen unterlegen. Bei den Parlamentswahlen 2006 hatte die heute 51-Jährige über sogenannte Präferenzstimmen Partei-Spitzenkandidat Dzurinda locker überholt. Das Image einer "sauberen" Politkerin, mit dem sie früher punkten konnte, ist Radicová allerdings längst los. Kurz nach ihrer Niederlage gab sie ihr Parlamentsmandat zurück, weil sie bei einer Abstimmung auch für eine Kollegin votiert hatte.

Fico wiederum erfährt in diesen Tagen ungewohnt einhelligen Rückhalt durch die Presse, während Dzurinda als "offensichtlicher Lügner" gebrandmarkt ist. Gestern sagte der Premier, er wisse so viel über die SDKÚ-DS, dass er fürchte, erschossen zu werden.

Fico ist es spätestens mit seinem Vorstoß am Montag gelungen, die zu Jahresbeginn in Umfragen deutlich zulegende Opposition zu spalten. Richard Sulík, Spitzenkandidat der extrem wirtschaftsliberalen "Freiheit und Solidarität", die derzeit auf knapp zehn Prozent der Wählerstimmen käme und damit hinter Ficos Smer-SD und der SDKÚ-DS drittstärkste Partei wäre, schließt kategorisch eine Zusammenarbeit mit Dzurinda aus.

Kritisiert wird Fico jedoch in den eigenen Reihen. Keine Partei könne Wahlkämpfe aus eigener Kraft und ohne fragwürdige Geschäfte finanzieren. Insofern gehöre es sich nicht, den Spitzenkandidaten einer anderen Partei so zu eliminieren, wie es nun geschehen sei.