Fico kündigt niedrigere Preise für Haushalte an. | Panik weicht dem Realismus. | Pressburg. Es wäre verfrüht, von einem slowakischen Bewusstseinswandel in der Gas-Krise zu sprechen. Zwei Tage nach der Entscheidung der Regierung, die umstrittene mögliche Wiederinbetriebnahme des zweiten Blocks im Kernkraftwerk V1 Jaslovské Bohunice vorerst zumindest zu verschieben, demonstrierten die Politiker in Pressburg aber statt der Panik, wie sie von Samstag bis Dienstag zu beobachten war, Entschlossenheit.
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Teilweise hatten sie sogar gute Nachrichten für ihr Volk. Premier Robert Fico, der es trotz Vorsprache in Kiew und Moskau nicht durchsetzen konnte, dass die russischen Gaslieferungen an die Slowakei in Kürze wiederaufgenommen werden, stellte als Ergebnis seiner Reise immerhin niedrigere Gaspreise für Haushalte in Aussicht. Und Wirtschaftsminister Lubomír Jahnátek sprach erstmals von zwei konkreten alternativen Wegen für die Belieferung der Slowakei mit russischem Gas. Zum einen könnte die Slowakei Gas mit der Ukraine tauschen, zum anderen Gas aus der durch Polen führenden Pipeline Jamal bekommen. All das sei in erster Linie eine Frage des politischen Willens, technische Hindernisse gebe es keine.
Die schlechten Nachrichten klangen da fast schon harmlos: Wenn Russland die Lieferungen bis Ende Januar nicht wiederaufnimmt, wird das Gas für Abnehmer von mehr als 60.000 Kubikmetern jährlich gestrichen, auch Haushalte müssen dann mit erheblichen Einschränkungen rechnen. Heizkraftwerke mit einer Abnahmemenge von 400.000 Kubikmetern werden schon jetzt nur noch zu 80 Prozent beliefert.
Umdenken bei Energie?
Fast hat es den Anschein, als hätten die Slowaken die Aufregung um die mögliche Wieder-Inbetriebnahme von V1 Jaslovské Bohunice gebraucht, um zu einem konstruktiven Management in der Gas-Krise zu finden. Fico und Jahnátek gewähren darüber hinaus, wenngleich sicher unbeabsichtigt, mit ihrem Auftreten tiefe Einblicke in slowakische Befindlichkeiten hinaus. An nachhaltiges Wirtschaften mit Energie sind viele Menschen noch nicht gewöhnt, die Heizvorrichtungen sind vielerorts veraltet und laufen entweder auf vollen Touren oder gar nicht.
Bei vielen Slowaken war zunächst eine als geballter Aktionismus kaschierte Panik zu beobachten, indem sie einige Tage übermäßig sparsam mit sämtlicher Energie umgingen und vielfach sogar Pläne dafür schmiedeten, nachts in einem der vielen Wälder des Nachbarlandes unbesehen Brennholz zu hauen, um für den äußersten Notfall versorgt zu sein. Teilweise schienen die Sorgen auch begründet, weil sich wegen des plötzlichen Druckabfalls zeitweise sogar Häuser im Herzen der Hauptstadt Pressburg nicht mehr wie gewohnt beheizen ließen.
Ungarn hilft
Inzwischen sind die Menschen aber zu ihren bisherigen Gewohnheiten zurückgekehrt, schließlich ist es aus Sicht vieler noch zu lang bis Ende Januar, um sich schon jetzt ernsthafte Sorgen zu machen. Im Übrigen setzen die meisten auf Hilfe von außen. Ungarn hob Donnerstag die Beschränkungen für Großunternehmen auf, die seit Dienstagabend vergangener Woche gegolten hatten, der Gaskonzern MOL will an die Slowakei bei Bedarf 1 bis 1,5 Mrd. Kubikmeter Gas liefern.
Das mag zu einer Annäherung zwischen Slowaken und Ungarn beitragen. Andere Konflikte hingegen könnten nach Abklingen der Gas-Krise wieder in voller Härte aufbrechen. Der Gasversorger SPP, momentan eine wichtige Stütze des Wirtschaftsministers, war in den Vormonaten nur allzu oft Attacken wegen "Preistreiberei" ausgesetzt. Fico kündigte gestern an, die Regierung sei wegen des voraussichtlichen Sinkens der Gaspreise darauf vorbereitet, mit SPP über niedrigere Gaspreise für Haushalte zu verhandeln. Ein erneuter Streit scheint damit vorprogrammiert.