)
Mittelslowakische Universitätsstadt Zvolen als Vorbild. | Bildungsminister in der Koalition de facto entmachtet. | Pflichtvorschuljahr könnte schon bald eingeführt werden. | Pressburg. Eines der größten Ärgernisse von Auslandsinvestoren in der Slowakei ist der wachsende Mangel an qualifizierten Facharbeitern. Die Außenhandelskammern bringen ihre Sorgen inzwischen auch immer häufiger zum Ausdruck. Die Regierung hingegen hielt sich bisher ausgesprochen bedeckt zu diesem Thema, wenngleich Bildung ein Schwerpunkt ihres Programms ist. Vor kurzem erläuterte Vizepremier Dusan Caplovic nun erstmals in einer vergleichsweise öffentlichen Runde von Sozialexperten seine Vorstellungen zu einem grundlegenden Umbau des Bildungswesens mit Blick auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts. Zwischen den Zeilen ließ sich viel über die aktuellen Machtverhältnisse in der Koalition aus sozialdemokratischer Smer-SD, nationalistischer SNS und LS-HZDS, der Partei von Ex-Premier Vladimír Meciar, heraushören.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bezeichnenderweise hält nämlich Caplovic, also ein Mann aus den Reihen von Regierungschef Robert Fico, und nicht etwa Bildungsminister Ján Mikolaj von der SNS in puncto Bildungsreform die Fäden in der Hand.
Innovatives Modell
Künftig sollen viele Minister und Vertreter relevanter Verbände bei der Regelung insbesondere von Ausbildungsfragen mitreden dürfen. Dabei dürfte Caplovic das Modell "Zvolen" vorschweben: Der mittelslowakischen Universitätsstadt ist es sehr gut bekommen, dass dort Stadtverwaltung, Wirtschaft und Technische Hochschule eng kooperieren; jüngsten Studien zufolge steht Zvolen sogar vor einem regelrechten Investitionsboom.
Der Bildungssektor krankt dem Vizepremier zufolge daran, dass es kein "fundamentales Gesetz" gibt, sondern nur veraltete, überdies zu oft novellierte Vorschriften. Im Übrigen sei es verwunderlich, dass es Gesetze über die Qualifikation von Soldaten und Polizisten gebe, aber keine entsprechenden für Pädagogen. Nunmehr seien mehrere Gesetze in Vorbereitung, wobei das "Gesetz über Erziehung und Ausbildung" im Mittelpunkt stehe, das vor allem die Qualifizierung von Ausbildern im weitesten Sinne, also etwa Grundschullehrern und Universitätsprofessoren zugleich, und den Erwerb von Sachkenntnis, betreffe, erklärt Caplovic. Bei seiner Ausarbeitung würden auch die Interessen der Auto- und der Elektroindustrie und der Gewerbetreibenden berücksichtigt. In einigen Punkten hätten Großbritannien und Deutschland als Vorbilder gedient.
Noch werde darum gerungen, inwieweit der Staat Lehrinhalte vorgebe, berichtete der Politiker. Er selbst plädiere für einen Anteil von 60 Prozent an den Lehrplänen, die Mehrheit der Kabinettskollegen eher für 75 Prozent.
Im Übrigen setze das Gesetz zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Leben an, Schule müsse nämlich zu einem "Sozialraum" werden. So sei die Einführung eines verpflichtenden Vorschuljahrs geplant, damit in der Grundschule gleich mit der Vermittlung von Wissen begonnen werden könne.
Zu wenig Berufspraxis
Das System sei früher sehr gut gewesen, so der slowakische Vizepremier. "Wir hatten das einmal sehr gut eingestellt", kritisierte Caplovic die Streichung der staatlichen Gelder für Berufsschulen im Jahre 2002. In der Vergangenheit hätten schon die Studenten durchwegs Berufspraxis gehabt, heute hingegen fehle es an einer grundlegenden Analyse zur Situation der Studienfächer und ihrer Absolventen. Er sei außerdem nicht glücklich darüber, dass slowakische Absolventen etwa als Busfahrer im Ausland gefragt seien. Denn: "Wie gelingt später wieder die Rückkehr in den gelernten Beruf?", fragt sich Caplovic.