Zum Hauptinhalt springen

Slowaken und Ungarn auf Schmusekurs

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv
Regionen entlang der slowakisch-ungarischen Grenze sollen verwoben werden, kleine und mittelständische Betriebe sollen länderübergreifend zusammenarbeiten. Österreicher können sich in Kooperationen einklinken. Foto: fotolia

Österreichische Firmen können Kooperationen im Grenzgebiet nutzen. | Entwicklungsagenturen sind wichtige Ansprechpartner. | Bratislava/Budapest. Politisch mögen die Wogen zwischen der Slowakei und Ungarn immer wieder hochkochen. Auf wirtschaftlicher Ebene arbeiten die beiden Nachbarländer jedoch seit einiger Zeit so eng zusammen wie nie zuvor. Die Stadtbusse Nr. 801, die seit 1. Oktober stündlich vom slowakischen Nationaltheater in Bratislava aus das ungarische Rajka ansteuern, sind nur der sichtbarste Ausdruck dieses neuen Zusammenrückens.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die slowakisch-ungarische Annäherung beruht auf dem "Programm für grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Ungarischen und der Slowakischen Republik 2007 bis 2013", für das der Europäische Fonds für regionale Entwicklung insgesamt 208 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Federführend ist die ungarische nationale Entwicklungsagentur mit Sitz in Budapest.

Österreichische Unternehmer können direkt keine Gelder abschöpfen, aber zumindest indirekt von dem Programm profitieren, insofern sie vorhandene Kooperationen im slowakisch-ungarischen Grenzgebiet nutzen wollen. Dafür bietet sich gerade das Dreiländereck bei Bratislava an.

Wettbewerbsfähigkeit der Regionen erhöhen

Durch das Programm soll der soziale und kulturelle Zusammenhalt zwischen den Menschen entlang der Grenze erhöht werden, indem sie besseren Zugang als bisher zueinander finden und intensiver kommunizieren. Das schließt den Bau neuer Straßen und Verkehrsanbindungen ein. Dadurch soll sich die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen erhöhen.

Konkret werden Projekte unterstützt, durch die eine Unternehmer-Infrastruktur geschaffen und die Entwicklung von Technologien und Innovationen gefördert wird, außerdem Tourismus-Projekte. Im Endeffekt sollen die Grenzregionen vor allem ökonomisch eng miteinander verwoben sein. Der Begriff Grenzregion ist dabei relativ weit gefasst. Auf slowakischer Seite kooperieren nicht weniger als fünf der acht Verwaltungsbezirke mit ungarischen Partnern, nämlich: Bratislava, Trnava, Nitra, Banska Bystrica und Kosice.

Besonders bewährt hat sich in jüngster Zeit die Zusammenarbeit der slowakischen Regionen Spis und Gemer mit dem ungarischen Komitat Borsod-Abauj-Zemplen. Inzwischen vermarkten sie gemeinsam mit der gotischen, der Eisen- und der Burgen- und Schlösser-Route erfolgreich ihre Sehenswürdigkeiten und kulturellen Besonderheiten.

In den vergangenen Wochen konnten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vom Programm profitieren. Bei gemeinsamen Schulungen wurde ihnen vermittelt, wie sie individuell oder im Zusammenspiel mit Partnern aus dem anderen Land Gelder in der Slowakei und Ungarn abrufen können.

Die slowakische nationale Agentur für die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen (Nadsme) hat vor kurzem ein Handbuch herausgegeben, in dem systematisch erläutert ist, aus welchen Geldtöpfen slowakische und ungarische Geschäftsleute in beiden Ländern schöpfen können. Die Agentur will erreichen, dass Unternehmer "weitaus koordinierter als bisher die Geschäftsmöglichkeiten in beiden Ländern nutzen". Das Handbuch enthält Angaben dazu, wie sich Unternehmen in beiden Ländern gründen und welche Services sich bei anderen EU-Programmen abrufen lassen. Nadsme hat außerdem eine Datenbank eingerichtet, mit der Unternehmer schnell mögliche Geschäftspartner im anderen Land finden. Auf diesem Wege sei es beispielsweise gelungen, eine enge Zusammenarbeit von Tischlern ins Leben zu rufen.

Staatliche Hilfen sollen Investoren-Run bringen

Der slowakische Unternehmensberater Zoltan Kaprinay ist schon seit fünf Jahren in Ungarn aktiv. "Wir sind viel strenger, während in ungarischen Unternehmen eine geradezu familiäre Atmosphäre herrscht", beschreibt er die praktischen Herausforderungen bei grenzüberschreitenden Kooperationen. An sich reiche schon eine gute Geschäftsidee, um in Ungarn Erfolg zu haben. Derzeit besonders wichtig sei, möglichst früh den Sprung auf den neuen Markt zu wagen, weil bisher weder in der Slowakei noch in Ungarn allzu viel Unternehmer Auslandserfahrungen gesammelt hätten.

Die verstärkte Zusammenarbeit von Slowaken und Ungarn und der damit verbundene Erfahrungsaustausch bringt auch die Wirtschaftspolitiker auf neue Ideen. Der slowakische Wirtschaftsminister Juraj Miskov kündigte vor kurzem bei der slowakisch-österreichischen Handelskammer an, dass er das Gesetz über staatliche Hilfen für Investoren bis Februar novellieren wolle, um einen erneuten Run von Auslandsinvestoren auszulösen. Die Slowaken sind offenbar inspiriert durch das ungarische Vorgehen. Budapest wendet derzeit erfolgreich viel Geld auf, um Automobilkonzerne und Zulieferer weit stärker als bisher ans Land zu binden.