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"Slowenen sind das nicht gewohnt"

Von Hermann Sileitsch

Politik

Österreichs Firmen sind größte Auslandsinvestoren.


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Ljubljana/Wien.

Österreichs südliche Nachbarn sind geschockt: Slowenien gilt als Kandidat für den Euro-Rettungsschirm - seit der konservative Ministerpräsident Janez Jansa am Wochenende vor der drohenden Staatspleite im Oktober gewarnt hat, ist das auch dem Letzten klar. "Die Slowenen sind nicht gewohnt, mit solchen Situationen umzugehen", sagt Hermine Vidovic, Expertin am Wiener Institut für Wirtschaftsvergleiche (WIIW) zur "Wiener Zeitung". Das Land sei immer ohne Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgekommen und habe bis dato das Auf und Ab anderer Transformationsländer nicht gekannt: "Es ist stetig bergauf gegangen."

Jetzt hat das Selbstbewusstsein einen Knacks erlitten, der Musterschüler - der Beitritt zur Währungsunion erfolgte 2007 - ist zum Sorgenkind geworden. Die Staatsschulden sind dabei nicht das Problem: Von einer Quote von 47,6 Prozent der Wirtschaftsleistung (2011) können westeuropäische Eurostaaten nur träumen (Österreich: 73,5 Prozent).

Kritisch ist das Loch im laufenden Haushalt: Das Budgetdefizit ist 2011 auf 6,4 Prozent der Wirtschaftsleistung geklettert. "Das Problem ist die Dynamik, mit der sich diese Verschuldung entwickelt", sagt Vidovic. So schnell kann es gehen, wenn ein kollabierender Immobilienmarkt, marode Banken und eine handlungsunfähige Politik zusammenkommen.

Die nötigen Weichenstellungen werden nämlich durch eine Blockade verhindert, die das Land fest im Griff hat. Der konservative Regierungschef Janez Jansa, der seit Februar 2012 (nach 2004 bis 2008) wieder im Amt ist, ist nicht ganz unschuldig: Als Oppositionspolitiker hatte er ganz ähnlich die sozialdemokratisch geführte Mitte-Links-Regierung zum Sturz gebracht. Jetzt gibt es die Retourkutsche. Für eine Schuldenbremse in Verfassungsrang braucht er eine Zwei-Drittel-Mehrheit - keine Chance. Eine Pensionsreform haben die Gewerkschaften per Referendum ausgehebelt. Jansa, der sie früher bekämpft hat, unternimmt nun einen neuen Anlauf.

Die Arbeitslosigkeit liegt mit 8,1 Prozent zwar unter dem EU-Durchschnitt. Aber: "Die Slowenen kennen es nicht, arbeitslos zu sein. Das ist für sie ein neues Phänomen", sagt Vidovic.

Milliarden-Moloch NLB

Auch Österreich können die Probleme nicht kalt lassen: Heimische Unternehmen sind mit 5,7 Milliarden Euro für knapp 50 Prozent der Auslandsinvestitionen verantwortlich. Ein britischer Analyst sieht Österreich bei einer möglichen Staatspleite sogar am stärksten gefährdet. "Österreich ist im Worst-Case-Szenario eindeutig gefährdet, weil sein Bankensystem am stärksten in Slowenien exponiert ist", sagt William Jackson von Capital Economics zur APA. Allerdings seien die Risiken überschaubar, weil Slowenien eine kleine Volkswirtschaft sei.

Die österreichischen Banken sind zwar vor Ort, werden aber von der Großbank NLB (Nova Ljubljanska Banka) in den Schatten gestellt. Sie gilt als der größte Problemfall - angeblich türmen sich dort notleidende Kredite von 1,5 Milliarden Euro. Bei NLB hält der Staat den Löwenanteil, die belgische Finanzgruppe KBC ist mit einem Viertel der Anteile zweitgrößter Aktionär.

Schon mehrfach musste die Regierung Geld in Banken und Staatsbetriebe pumpen. Weitere Rettungsaktionen würden Ljubljana wohl überfordern. Christian Miller, WKO-Wirtschaftsdelegierter in Ljubljana, hält deshalb einen Antrag auf Bankenhilfe aus dem Rettungsschirm für wahrscheinlich: Laut Schätzungen bräuchten die Banken 2 bis 5 Milliarden Euro.

Der IWF hatte schon im April schwere Mängel im Bankensektor festgestellt: Dieser sei vom Einbruch im Immobiliensektor und Refinanzierungssorgen schwer getroffen. Kreditausfälle verursachten zwei verlustreiche Jahre in Folge; die 2009 begonnene Schrumpfung werde weitergehen müssen. Die Regierung komme wohl nicht um eine Bereinigung der Bilanzen und Rekapitalisierung herum. Insbesondere bei den staatlich dominierten Banken seien Kontrolldefizite ans Tageslicht gekommen.

Slowenien will Geld aus USA

Auch abseits der NLB spiele der Staat in Slowenien noch eine große Rolle, sagt Vidovic - für ausländische Investoren seien bei früheren Privatisierungen etliche Hindernisse errichtet worden. Jetzt wollte Jansa die großen staatlichen Beteiligungen zunächst in einer Holding - quasi einer slowenischen ÖIAG - bündeln und bis auf eine Sperrminorität privatisieren. Das könnte die Fluglinie Adria Airways, den Versicherer Triglav, den Ölkonzern Petrol und die Telekom Slovenije betreffen. Auch dieser Plan stieß auf Widerstand, Entscheidungen stehen noch aus.

Unterdessen sorgt sich Jansa darum, wie er die laufenden Budgetausgaben stemmen kann. Den drohenden Finanzengpass will er mit einer US-Dollar-Anleihe im Oktober oder November überbrücken. Mitte 2013 werden Altschulden in Höhe von 2 Milliarden Euro fällig - bei Zinsen von derzeit mehr als 6 Prozent wäre das kaum leistbar, droht Jansa. Der Präsident der Osteuropabank EBRD, Suma Chakrabarti, und OECD-Chef Angel Gurria kalmierten hingegen am Wochenende beim Wirtschaftsforum in Bled: Slowenien könne seine Probleme allein lösen.