Zum Hauptinhalt springen

Slowenien rückt an Spitze der EU

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Der heurige Jahresanfang brachte die Euro-Einführung mit sich. Und in wenigen Tagen kann Slowenien wieder feiern: Das Land übernimmt den EU-Vorsitz. Foto: reu/Zivulovic

Test für Laibachs Balkan-Kompetenz. | Musterschüler bei der EU-Integration. | Brüssel/Laibach. "Das wird eine historische Herausforderung", sagte der slowenische Premier Janez Jansa. Denn ab 1. Jänner 2008 übernimmt sein Land als erster neuer Mitgliedsstaat den Vorsitz der Europäischen Union.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das ist für den jungen Staat allerdings nur ein weiterer in einer Reihe historischer Schritte. Es erklärte sich als erste der Teilrepubliken des früheren Jugoslawiens 1991 unabhängig und konnte die Auseinandersetzungen mit der jugoslawischen Armee weitgehend in Grenzen halten.

Bei der europäischen Integration war Slowenien stets ganz vorne dabei und gilt als Musterschüler unter den seit 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung befürwortete den EU-Beitritt. Vor einem Jahr trat Slowenien als erstes neues Mitgliedsland der Eurozone bei, erst vor zwei Wochen dem grenzenlosen Schengen-Raum.

Nun muss die wirtschaftlich stärkste Ex-Teilrepublik Jugoslawiens die Unabhängigkeit der ärmsten Region des ehemaligen Vielvölkerstaats managen. Denn der Kosovo, der sich nach Expertenschätzungen auf dem wirtschaftlichen Niveau eines "schwachen afrikanischen Landes" hält, wird sich wohl innerhalb der nächsten zwei Monate für unabhängig erklären.

Vorher will die EU bereits mit ihrer zivilen Friedensmission in der seit acht Jahren von der UNO verwalteten südserbischen Provinz präsent sein. Dabei gibt es unter den Mitgliedsstaaten, die den Einsatz am 14. Dezember grundsätzlich beschlossen haben, noch einige Unstimmigkeiten darüber, ob eine bestehende UNO-Resolution tatsächlich als Mandat geeignet ist.

Vor allem, dass der Kosovo in dem Sicherheitsratsbeschluss als Bestandteil Serbiens bezeichnet wird, macht die EU-Mission ab der Unabhängigkeitserklärung Pristinas heikel. Dass diese Feststellung nicht rechtsverbindlich sei, weil er nur in der Präambel der Resolution vermerkt ist, gilt als recht gerissene Interpretation der Brüsseler Juristen.

Russland droht

Vor allem Zypern, das sich schon beim Grundsatzbeschluss im Dezember der Stimme enthalten hat, wird sich hier wohl sehr vorsichtig verhalten. Wie Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Spanien steht der Inselstaat einem unabhängigen Kosovo sehr kritisch gegenüber. Sie befürchten eine Vorbildwirkung für eigene territoriale Konflikte.

Serbien und seine Schutzmacht Russland verschärfen indes beinahe täglich ihre Drohkulisse: Ohne neue UNO-Resolution sei das Vorgehen der EU nicht völkerrechtlich gedeckt, die Destabilisierung der gesamten Region drohe, Belgrad werde seine diplomatischen Beziehungen mit allen Staaten "überdenken", die einen unabhängigen Kosovo anerkennen, tönt es.

Die breite Mehrheit der EU-Länder wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Österreich hat aber bereits durchblicken lassen, dass sie die Unabhängigkeit akzeptieren würden.

Dass Slowenien in dieser schwierigen Situation jetzt die Federführung in der EU übernimmt, wird von Diplomaten als Glücksfall bezeichnet: Das Land wolle zwar selbst nicht mehr dem Balkan zugerechnet werden. Aufgrund der gemeinsamen Geschichte kenne es aber sehr wohl die Mentalität der Region.

Der slowenische Außenminister Dimitrij Rupel gilt als erfahrener und umsichtiger Diplomat. Seine Balkan-Kompetenz wird jedenfalls auf eine harte Probe gestellt. Denn bisher hat Serbien mögliche Zugeständnisse auf seinem Weg in die Europäische Union strikt zurückgewiesen. Das sei "beleidigend" gegenüber einem "verstümmelten Serbien" ohne den Kosovo, hatte der serbische Premier Vojislav Kostunica erklärt.

Vorhersehbarer ist für Slowenien der massive zusätzliche Verwaltungsaufwand während des EU-Vorsitzes. Rund 62 Millionen Euro lässt es sich Laibach kosten. Für die etwa 160 EU-Treffen im Land wurde ein neues Konferenzzentrum in Brdo bei Kanj gebaut. Porträt Seite 10