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Slowenien schließt seine Archive

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv

Erschwerter Zugang zu Geheimdienstdokumenten. | Regierung fürchtet Enthüllungen über linke Eliten. | Klagenfurt/Laibach. In Slowenien will die Mitte-Links-Regierung den Zugang zu Geheimdienstdokumenten aus der Zeit des kommunistischen Jugoslawiens massiv einschränken. Betroffen davon sind auch Dokumente die mit den Anschlägen in Kärnten in den 1970er-Jahren zu tun haben.


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Beschlossen werden soll die Einschränkung des Rechts auf Akteneinsicht durch eine Novelle des Archivgesetzes in den nächsten Tagen. Die konservative Opposition ist empört.

Der Streit um die Akteneinsicht begann im August 2010. Damals beantragte der Publizist Igor Omerza für ein neues Buchprojekt Zugang zu Akten des ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstes UDBA. Dabei geht es um den Prozess in den Jahren 1987 und 1988 gegen einen Vorkämpfer der Unabhängigkeit, den nunmehrigen konservativen Oppositionsführer und früheren Ministerpräsidenten Janez Jansa. Doch es geht nicht nur um die Endphase des kommunistischen Jugoslawiens, sondern auch um Dokumente aus den 70er-Jahren. Obwohl diese Dokumente nach dem Archivgesetz von 2006 frei zugänglich sein müssen, wurde Omerza die Einsicht verweigert. Über die genauen Gründe für diese gesetzwidrige Entscheidung ist sich Omerza selbst nicht ganz sicher. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sagt er, dass er früher bei der Akteneinsicht keine Probleme gehabt habe. Dazu zählen auch Akten, die mit Anschlägen in Südkärnten zusammenhängen, etwa auf das Volksabstimmungsmuseum in Völkermarkt 1979, bei dem sich zwei UDBA-Agenten selbst in die Luft sprengten.

Konservative entrüstet

Tatsächlich hat der Publizist in den Archiven bereits vieles ausgegraben was der noch lebenden reformkommunistischen Elite und ihren derzeit regierenden politischen Nachkommen unter Ministerpräsident Borut Pahor durchaus nicht angenehm ist, etwa die Rolle des früheren slowenischen Innenministers Janez Zemljaric: Als Chef der UDBA soll er unter anderem den Partisanen und Regimekritiker Edvard Kocbek "brutal verhört" haben. Die Verweigerung der Herausgabe der Dokumente löste unter der konservativen Opposition um Janez Jansa einen Sturm der Entrüstung aus, denn das liberale Archivgesetz war unter seiner Regierung 2006 beschlossen worden. Diese Entrüstung wurde noch größer, als herauskam, dass sich Ministerpräsident Pahor gerade jene Akten ohne formellen Antrag im Oktober aus dem Archiv zur Einsicht hatte kommen lassen, die Omerza verweigert worden waren. Regierung, Geheimdienst und die Leitung des Archivs verteidigten diese Verweigerung auch mit dem Schutz von noch lebenden Personen, die im Ausland für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet haben und nun enttarnt werden könnten.

Diese Argumente lässt Jansa nicht gelten. In Radio Slowenien sagte er, dass die Dokumente vor allem mit den Anschlägen in Österreich zusammenhingen. Die enthaltenen Namen "von Kärntner Slowenen, die an diesen Aktivitäten beteiligt und die damals Mitarbeiter des Geheimdienstes waren, wurden bereits veröffentlicht. Doch niemandem ist etwas geschehen und kein Verfahren wurde eingeleitet."

Dennoch soll schon in den kommenden Tagen ein restriktiveres Archivgesetz beschlossen werden. Betroffen davon ist auch die Arbeit der Kärntner Historikerkommission, die die Anschläge der 70er-Jahre untersucht. Zumindest einen Anschlag auf ein Partisanen-Denkmal haben radikale Kärntner Slowenen selbst durchgeführt. Dieses Wissen und viele andere Hinweise auf die Verwicklung so mancher früherer hochrangiger Vertreter der Kärntner Slowenen verdanken die Historiker der Akteneinsicht in Slowenien.

In Österreich - wo es keinen "Regimewechsel" gab - ist der Archivzugang übrigens weit restriktiver. Abgesehen von datenschutzrechtlichen Einschränkungen legt das österreichische Archivgesetz auch noch fest, dass ein Recht auf Einsicht nur besteht, wenn das "Archivgut erschlossen" ist, ein Gummiparagraph, der die Akteneinsicht auf den St. Nimmerleinstag vertagen kann.

Bericht unter Verschluss

Extrem zurückhaltend war die Republik bei "Kärntner Fragen" stets, als das kommunistisch Jugoslawien noch bestand. Daran hat auch der Zerfall des Tito-Staates nichts geändert. So hat die slowenische Seite ihren Bericht der gescheiterten bilateralen Historikerkommission bereits im November 2004 veröffentlicht. Den österreichischen Teilbericht hält das Außenministerium weiter unter Verschluss. Auch das Innenministerium verweigert unter Verweis auf "datenschutzrechtliche Gründe" jegliche Information zu den Anschlägen in den 70ern.

Und derzeit ist überhaupt ganz besondere Zurückhaltung angesagt, um die Ortstafelverhandlungen nicht zu belasten, die in Klagenfurt begonnen haben.