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Durch hohe Schreie signalisieren Jagdgefährten, wo die Insekten sind. | Fledermäuse grüßen einander und führen Gespräche.
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Berlin. Worüber sich die Kleinen Hasenmaulfledermäuse genau unterhalten, weiß Silke Voigt-Heucke von der Freien Universität und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin zwar noch nicht. Auf alle Fälle rufen sich diese gerade einmal 20 bis 45 Gramm schweren Tiere der Art Noctilio albiventris etwas zu, wenn sie einen Artgenossen hören. Gemeinsam mit Dina Dechmann von der Universität Konstanz sowie Michael Taborsky von den Uni Wien hat die Biologin diese akustische Kommunikation in Panama belauscht ("Animal Behaviour", im Druck).
Dort ruhen die Hasenmaul-Fledermäuse tagsüber zusammen mit oft mehreren Hundert Artgenossen in Baumhöhlen oder Häusern. In der Abenddämmerung brechen sie in kleinen Gruppe mit nicht mehr als fünf Tieren gemeinsam zur Jagd nach Insektenschwärmen auf, die irgendwo über dem Wasser unterwegs sind. Zunächst fliegen die Fledermäuse in einem Abstand von dreißig oder vierzig Metern zueinander und stoßen extrem laute und hohe Schreie aus, die von Gegenständen in der Luft als Echo zurückgeworfen werden. Mit Hilfe dieser Echo-Ortung entdecken sie ihre Beute ähnlich gut wie ein Jäger bei Tageslicht sein Opfer mit den Augen sieht.
Sobald ein Tier ein Insekt gefunden hat, wiederholt es die Rufe öfter und ändert auch die Frequenz. Diese typischen "Rufe zur Zielerfassung" aber bekommen auch die Nachbarn mit und fliegen rasch zu dem Insektenschwarm, den ein Kollege gerade entdeckt hat. "Passive Kommunikation" nennen Verhaltenbiologen dieses Belauschen der Nachbarn. Damit kann die Tiergruppe rasch eine relativ große Fläche absuchen und optimiert so die Jagd: In der ersten Stunde nach dem Sonnenuntergang erwischt jede Fledermaus in einer solchen Jagdkooperative rund 700 Eintagsfliegen, Mücken oder Termiten. Damit decken die Weibchen für sich selbst und den Nachwuchs den Energiebedarf für den Rest des Tages. Länger jagen lohnt sich nämlich kaum, weil sich die kleinen Beutetiere danach viel stärker verteilen. Dann müssten die Fledermäuse für die gleiche Beutemenge erheblich länger durch die Luft kurven und würden dabei viel mehr Energie verbrauchen.
Passive und auch aktive Kommunikation
Bei dieser ausgefeilten passiven Kommunikation kam den Forschern rasch der Verdacht, die Hasenmaul-Fledermäuse könnten auch aktiv miteinander reden. Um diese Vermutung zu überprüfen, fing Silke Voigt-Heucke drei Kleingruppen dieser Art, die längst auch unter Hausdächern ruhen, weil die Urwald-Baumriesen mit geräumigen Fledermaushöhlen zunehmend den Holzfällern zum Opfer fallen. Säugende Weibchen ließen die Forscher sofort wieder frei, die anderen Tiere gaben sie in Zelte aus Moskitonetzen und fütterten sie regelmäßig mit Mehlwürmern.
Von anderen Fledermäusen hatten die Forscher inzwischen die lautstarken Rufe zur Echo-Ortung unmittelbar vor deren Start zur Jagd aufgenommen. Als Silke Voigt-Heucke diese Rufe den gefangenen Gruppen vorspielte, reagierten die ruhenden Tiere erst einmal mit ihrem üblichen Gruß: Sie strecken ihre Flügel aus und zeigen den anderen Tieren die darunter versteckt liegenden Duftdrüsen. Diesen Gruß gibt es gleichermaßen für Echo-Ortungsrufe der eigenen und einer fremden Art. Nur der eigenen Art aber antworten die Hasenmaul-Fledermäuse auch mit einem Echo-Ortungsruf.
"Allerdings verändern sie diesen Ruf und senken die Tonhöhe am Ende bis zu einem auf für Menschen hörbaren Bereich ab", erklärt Silke Voigt-Heucke. Genau wie die Echo-Ortung selbst enthält auch diese Antwort Komponenten, die für die Gruppe typisch sind, und andere Teile, die für das Individuum typisch sind. So beginnen die Tiere ihren Ruf zum Beispiel bei jeweils leicht unterschiedlichen Tonhöhen und rufen unterschiedlich lange. Die Forscher vermuten, dass die Fledermäuse damit zu erkennen geben: "Hallo, hier bin ich, die Fledermaus XY von der Gruppe unter dem morschen Dachbalken".
Fremde und vertraute Stimmen unterscheiden
Dabei unterscheiden die Fledermäuse durchaus, ob sie den Rufer der eigenen Art kennen oder nicht: "Auf einen Fremden reagieren sie viel heftiger als auf ein Mitglied der eigenen Gruppe", erklärt Silke Voigt-Heucke. Das erinnert ein wenig an Menschen, der das Reden seines Nachbarn im Großraumbüro schon gar nicht mehr hört, aber sofort aufmerksam wird, wenn eine fremde Stimme ertönt. Vielleicht antwortet die Fledermaus dann auch: "Hallo, ich bin die XY. Kann ich ihnen irgendwie helfen?" Genau verstehen die Forscher den Fledermaus-Smalltalk allerdings noch nicht.