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SNCF steigt bei WESTbahn ein

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Verhandlungen auch mit anderen Interessenten. | Südbahnstrecke im Visier der neuen Privatbahn. | Aufsichtsrat glänzt durch prominente Namen. | Paris/Wien. Die Rail Holding AG von Hans-Peter Haselsteiner und Ex-ÖBB-Vorstand Stefan Wehinger wird ab Dezember 2011 auf der Westbahnstrecke zwischen Wien und Salzburg den ÖBB Konkurrenz machen Nun bekommen die privaten Zug-Betreiber einen mächtigen, allerdings staatlichen Verbündeten: Die französischen Staatsbahnen SNCF steigen in Kürze über eine Tochtergesellschaft mit 25 Prozent bei der Rail Holding ein.


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"Wir führen mit mehreren europäischen Bahngesellschaften Gespräche, jene mit den SNCF sind am weitesten gediehen", sagte ein Sprecher des Unternehmens zur "Wiener Zeitung". "Wir suchen Partner, die unsere Wachstumsabsichten beschleunigen können, und so ein etablierter Player am Markt ist für uns eine große Unterstützung."

ÖBB reagieren

Mit SNCF erhalten Wehinger und Haselsteiner nicht nur zusätzliche Kapital, sondern auch einen gewieften Know-how-Geber im Schienenverkehr. Für die ÖBB ist dies sicherlich eine ernsthafte Herausforderung. ÖBB-Chef Christian Kern glaubt allerdings, dass der Wettbewerb die ÖBB anspornen und verbessern wird - und kommuniziert dies auch so im eigenen Unternehmen.

Aggressive Expansion

SNCF fährt - als Vorbereitung zur Liberalisierung des Passagierverkehrs - eine aggressive Expansionsstrategie im Ausland, unterstützt vom französischen Staat. Bis 2015 will der Bahn-Konzern den Umsatz um 30 Prozent auf knapp 40 Milliarden Euro steigern. SNCF betreiben die Hochgeschwindigkeitszüge TGV, mittlerweile nicht nur in Frankreich, sondern bis nach London und in die Benelux-Länder.

Ganz so schnell wie beim TGV wird es auf der Westbahn nicht werden. Stefan Wehinger, Geschäftsführer der privaten WESTbahn, hat vorerst sieben Doppelstock-Triebzüge mit je sechs Wagen in der Schweiz bestellt, Geschwindigkeit zirka 200 Stundenkilometer. Die Strecke Wien-Salzburg soll in zweieinhalb Stunden gefahren werden. Und man werde - so erklärte Wehinger kürzlich im ORF-Report - jeden Preis der ÖBB halten. Möglicherweise reagieren die ÖBB auf den Markteintritt der WESTbahn im Dezember 2011 mit Kampfpreisen.

Insgesamt soll das private Bahn-Unternehmen zwischen 220 und 250 Mitarbeiter haben. Investiert werden zirka 130 Millionen Euro. Mit der Beteiligung der SNCF soll sich - so Insider - das finanzielle Risiko von Haselsteiner, Wehinger und Grossnig deutlich reduzieren. Die Franzosen sollen dem Vernehmen nach ein ordentliches Aufgeld für die Beteiligung bezahlen.

Grossnig im Zug

Mit der kapitalstarken SNCF im Rücken fällt dem Unternehmen dann auch die weitere Expansion leichter, etwa auf der Südbahnstrecke. Die leidet derzeit noch unter Kapazitätsengpässen. Stefan Wehinger hat daher kürzlich den Bau des Semmeringtunnels gefordert.

Die Rail Holding, deren Kapitalreserven derzeit bei knapp zehn Millionen Euro liegen, gehört zu je 35 Prozent der Haselsteiner Stiftung und der Stefan Wehinger GesmbH. Die restlichen 30 Prozent liegen bei der Schweizer Augusta Holding. Sie sitzt in Zug, was sowohl steuerlich als auch für den "Unternehmensgegenstand" passend erscheint.

Wer hinter der Holding steckt, wird nicht offiziell gesagt, qualifizierte Mutmaßungen besagen, dass es sich dabei um den Firmensanierer Erhard Grossnig handelt. Grossnig ist ein guter Bekannter Haselsteiners, und sitzt auch im Aufsichtsrat der Rail Holding. Der ist überhaupt prominent besetzt: Vorsitzender ist der ehemalige Chef der Schweizer Bahnen, Benedikt Weibel. Weitere Mitglieder sind Ottakringer-Chef Sigi Menz, Anton Gaal sowie der konservative EU-Parlamentarier und Ex-Innenminister Ernst Strasser.

Wehinger äußerste sich zuletzt in Interviews überaus behutsam zur ÖBB, kein böses Wort, keine harsche Kritik. Immerhin bekommt er nun selbst einen Noch-Monopolisten als Gesellschafter.

Marktabschottung

Die französischen SNCF machen übrigens den französischen Markt ziemlich zu. Lizenzen dort zu erhalten, ist überaus schwierig, wobei das Schienennetz in Frankreich vom Staat finanziert wird. In Österreich muss dies großteils von den ÖBB geschultert werden, was dem Unternehmen 2011 eine Schuldenlast von 20,6 Milliarden Euro beschert - plus 2,2 Milliarden innerhalb eines Jahres.

Auch in Italien stehen die ÖBB vor einer ziemlich rigorosen Abschottung durch die italienische Staatsbahn (FS). Nach dem mittlerweile aufgehobenen Verbot für ÖBB-Züge, andere Städte als die vorgesehene Endstation zu bedienen, soll nun der ÖBB-Ticketverkauf in Italien verboten werden. Die ÖBB haben angekündigt, dies beim EuGH zu bekämpfen.

Auch mit der WESTbahn kündigt sich ein Rechtsstreit an. Das private Unternehmen will - analog zur Unterstützung der ÖBB - Förderungen aus dem Verkehrsministerium erhalten. Haselsteiner begründet dies mit dem Gleichbehandlungs-Grundsatz. Verkehrsministerin Doris Bures hat damit wenig Freude. Der WESTbahn wird vorgeworfen, sich die Rosinen aus dem Bahnmarkt herauszupicken: Die Strecke Wien-Salzburg ist die attraktivste im gesamten Schienennetz.

Eine Möglichkeit wäre auch für die ÖBB, den Personenverkehr auf der Westbahnstrecke in eine eigene Gesellschaft auszugliedern. Nach Angaben der ÖBB fährt diese Westbahnstrecke Gewinne ein.

Für Haselsteiner, Grossnig und Geschäftsführer Wehinger wird durch den Einstieg der SNCF die Förderung wenig akut, man werde aber darauf bestehen. Jedenfalls verfügen die SNCF über genügend "rollendes Material", um die Expansion auf andere Strecken leichter zu ermöglichen. Der Kauf von Loks und Waggons ist natürlich eine kostspielige Angelegenheit. SNCF macht der Rail Holding zudem die Tür ins Ausland auf. Mit der Liberalisierung öffnen sich natürlich auch die EU-Grenzen für Bahnbetreiber.

Die Franzosen hatten sich ja für Arriva Deutschland interessiert, einem regionalen deutschen Bahn- und Busbetreiber. Er gehörte der Deutschen Bahn und musste von der aus kartellrechtlichen Gründen verkauft werden. Die Franzosen zogen aber den Kürzeren, Arriva ging an eine Tochtergesellschaft der italienischen Staatsbahn Ferrovia dello Stato.

Große kaufen Kleine

Die bevorstehende Bahn-Liberalisierung begünstigt natürlich die großen Staatsbahnen, die über erhebliche Mittel und Unterstützung durch ihre Regierungen verfügen. Auch bei der Liberalisierung des Telekom-Marktes machten sich die jeweiligen Ex-Monopolisten der großen Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien) auf, um auf anderen Märkten Wettbewerb zu spielen.

In Österreich kommt hier auf den Schienen-Regulator in den kommenden Monaten sicher einige Arbeit zu. Je näher die Liberalisierung rückt, desto größer wird die Bewegung am Markt. Die Franzosen sind in Österreich angekommen.