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Snus statt Rauch wäre Alternative

Von Christa Karas

Wissen

Wir Raucher gehen ein hohes Risiko ein, an Lungenkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Dabei sind wir umgeben von Leuten, die es gut mit uns meinen, die Anti-Tabak-Konventionen, strenge Rauch- und Werbeverbote, steigende Besteuerung und drastische Warnhinweise usw. erlassen oder die uns mit übel schmeckenden Kaugummis und ähnlichem kurieren wollen. Doch wir sind süchtig nach echter oraler Befriedigung. Snus, eine Möglichkeit, Nikotin in einer wesentlich ungefährlicheren Form zu konsumieren, wird uns indessen durch die EU-Gesetzgebung vorenthalten. Immerhin diskutieren wenigstens nun namhafte Gesundsheitsfachleute über das "schwedische Modell" als potenzielle Alternative.


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Schwedischer Snus ist ein rauchfreies Tabakprodukt, das lose oder in Form von kleinen Beuteln erhältlich ist. Der Tabak wird zwischen Oberlippe und Zahnfleisch gesteckt und führt von dort direkt Nikotin in die Blutbahn zu. Snus wird weder gekaut noch geschluckt und hat in Schweden eine ca. 200-jährige Tradition, der Verkauf ist innerhalb der EU aber laut Richtlinie 92/41/ECC aus dem Jahr 1992 verboten. Schweden hat bei seinem EU-Beitritt 1995 eine Ausnahmeregelung erwirkt.

21,3 Prozent der männlichen Schweden sind Snus-Konsumenten. Der Verbrauch von Snus in Schweden belief sich im Jahr 2001 auf ca. 6.200 Tonnen (das entspricht rund 175 Mill. Dosen). Die Anzahl der Snus-Konsumenten wurde im Jahr 2001 auf ca. eine Million geschätzt. Der prozentuelle Anteil der Tabakkonsumenten in Schweden liegt auf einem vergleichbaren Niveau wie in anderen EU-Staaten. Schweden ist jedoch das einzige Land der westlichen Welt, das das WHO-Ziel erreicht hat, den prozentuellen Anteil der Raucher an der erwachsenen Bevölkerung auf unter 20 Prozent zu senken (18,1 im Vergleich zu jeweils rund einem Drittel in anderen EU-Ländern).

Die spezielle Situation hat dazu geführt, dass das Risiko, an einer Krankheit zu sterben, die auf Tabakkonsum zurückzuführen ist, für schwedische Männer geringer ist als in jedem anderen europäischen Land. Im Jahr 1990 waren 11 Prozent der männlichen Sterbefälle in Schweden auf das Rauchen zurückzuführen, im Vergleich zu durchschnittlich 25 Prozent in Europa. So beträgt etwa die Sterberate durch Lungenkrebs für deutsche Männer 68,4, für österreichische 62 und für schwedische dagegen nur 33,6 auf je 100.000. (Die Krebsstatistik bei Frauen, deren Rauchgewohnheiten in Schweden ähnlich wie in Österreich und Deutschland sind, zeigt für beide Länder ein fast identisches Bild.)

Kein "Rauch-Einstieg"

Immer mehr Experten sehen daher im "schwedischen Weg" eine rauchfreie Alternative, die dazu führen könnte, die Lungenkrebsraten deutlich zu senken. Immerhin waren 48 Prozent der Snus-Konsumenten früher Raucher. Dagegen konnte das Argument, dass Snus als "Einstieg" zum Rauchen dient, nicht erhärtet werden: nur sechs Prozent der schwedischen Raucher waren früher Snus-Konsumenten (TEMO Basdata Report 2001/02).

Trotzdem ist die Verbreitung von Snus in der EU verboten. Artikel 8 der Richtlinie 2001/73/EG besagt, dass "Mitgliedsstaaten den Vertrieb von oralem Tabak, gemäß Artikel 2.4 verbieten sollen". Artikel 2.4 erlaubt den Vertrieb von Kautabak, verbietet jedoch die Verbreitung aller anderen oralen Tabakwaren.

Wichtige Regulierung

Eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen würde Menschen, die von ihrer Sucht nicht loskommen, eine Möglichkeit eröffnen, ihr Risiko weitgehend zu minimieren. Viele Experten befürworten allerdings nicht die generelle Freigabe von oral zu konsumierenden Tabaksorten, sondern wollen diese einer strengen Regulierung ihrer Inhalts- und Zusatzstoffe unterwerfen.

Insbesondere geht es dabei um die weitgehende Vermeidung von Tabak-spezifischen Nitrosaminen (TSNA), die bei der Tabak-Verarbeitung entstehen. Zwei dieser Substanzen werden als mögliche Karzinogene bei Menschen klassifiziert (IARC). In Snus sind sie weitgehend eliminiert bzw. machen nur einen Bruchteil vieler z.B. in den USA erhältlicher Tabaksorten aus. Swedish Match, der größte Hersteller von Snus (www.swedishmatch.com), hat dafür einen Qualitätsstandard ("Gothiatek") entwickelt, der als Modell für eine gesetzliche Regulierung dieser Zusatzstoffe dienen könnte.

Nun ist die EU gefordert

In einem gemeinsamen Papier vom Februar 2003 ("European Union Policy on Smokeless Tobacco. A statement in favour of evidence-based regulation for public health" - online abrufbar unter www.nicotineinstitute.com, Position on Smokeless Tobacco) fordern international führende Experten die Aufhebung des gegenwärtigen Verbots von oralen Tabaksorten. Unter ihnen finden sich Fachleute wie Clive Bates, Direktor von ASH Action on Smoking and Health, London, Prof. Martin Jarvis, Gesundheitspsychologe und Krebsspezialist am University College London, Prof. Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Universität Wien und Dr. Lars Ramström, Direktor des Institute for Tobacco Studies, Stockholm.

An Stelle des Verbotes soll eine Regelung treten, die die Toxidität aller rauchfreien und gerauchten Tabakprodukte reguliert. Dies würde es Rauchern ermöglichen, ihr Risiko zu verringern und dem gegenwärtigen "Aufgeben oder Sterben"-Dilemma zu entkommen.