In Wien wird im 21. Bezirk die zehnte Volksschule mit bilingualem Unterrichtssystem eröffnet.
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Wien. Gesundes Essen ist in diesen Wochen Thema in vielen ersten Volksschulklassen. Sie lernen nicht, viel Obst und Gemüse zu essen und weniger Schokolade und Süßigkeiten. Die Taferlklassler an den Standorten des Schulversuchs "Vienna Bilingual Schooling" (VBS) lernen in zwei Sprachen über die Ernährungspyramide: auf Deutsch und auf Englisch.
An der neuen Campusschule Donaufelder Straße im 21. Bezirk startete dieses Schuljahr der Wien-weit zehnte VBS-Volksschulstandort, sagt Horst Tschaikner, Leiter des Europabüros des Stadtschulrats.
Insgesamt gibt es derzeit 37 Volksschulklassen mit rund 900 Schülern, in denen nach dem VBS-Lehrplan unterrichtet wird, sowie 39 Klassen mit rund 1000 Schülern in der Sekundarstufe 1 (10- bis 14-Jährige) und 30 Klassen mit rund 750 Schüler in der Sekundarstufe 2 (Gymnasien sowie eine Handelsakademie).
Landläufig wird das VBS-System häufig dem Privatschulsektor zugerechnet, obwohl es sich um ein Angebot des öffentlichen Schulwesens handelt. Im Stadtschulrat freut man sich, dass sich diese Klassen großer Beliebtheit erfreuen. Um Eliteschulen handle es sich aber nicht, betont Tschaikner. "Es ist eine Schule für alle, die für diesen Schulversuch geeignet sind."
Kandidaten brauchen verschiedene Kompetenzen
Seit 1992 gibt es in Wien bereits VBS-Klassen. Die Grundlage des Systems ist das Peer-Learning, also das Lernen von Gleichaltrigen. Idealerweise sitzen daher in den bilingualen Klassen zur Hälfte Kinder mit der Erstsprache Deutsch und der Zweitsprache Englisch. Die andere Hälfte der Schüler sollte als Muttersprache Englisch haben und über Kenntnisse im Deutschen verfügen. Der Unterricht erfolgt sowohl durch deutschsprachige Lehrer als auch englische Native Speaker.
Der Run vor allem auf die zweisprachigen Volksschulstandorte ist groß, doch nicht alle Kinder sind geeignet. Zu absolvieren ist ein "Orientation Talk", eine Art Aufnahmegespräch, bei dem nicht nur die sprachliche Eignung, sondern auch insgesamt die kommunikative und die soziale Kompetenz beurteilt werden soll, erklärt Romy Höltzer, die im Europabüro für die VBS-Volksschulen verantwortlich ist.
Für das kommende Schuljahr wurden an die 240 Mädchen und Burschen für solche Klassen aufgenommen - rund 100 der Kandidaten waren nicht geeignet. An den Schulen der Sekundarstufen 1 und 2 bewirbt man sich jeweils am Standort, für den man sich interessiert, um einen Platz. Für die Volksschule wurde heuer erstmals ein zentrales Aufnahmeverfahren durchgeführt.
Astrid Gerö, Direktorin der Volksschule Donaufelder Straße, hält das für eine gute Vorgangsweise. "So ist es fairer und auch transparenter. Nun gibt es ein standardisiertes Aufnahmegespräch, das für alle gleich abläuft." In der Praxis bedeutet das: Die Eltern entscheiden sich für das System, können sich aber nicht mehr die Schule aussuchen. Das Kind wird, wenn es geeignet ist, dann dem zum Wohnort nächstgelegenen VBS-Schulstandort zugewiesen.
Wobei Tschaikner betont: Jedes Kind, das geeignet ist, erhält am Ende einen Platz in einer VBS-Klasse. Soll heißen: Ist es nötig, wird eine neue Klasse eröffnet. Allerdings scheint aus Sicht des Stadtschulrats mit den nun angebotenen Standorten der Bedarf gedeckt zu sein. Im Schuljahr 2013/14 kommt daher kein neuer Standort dazu, weder im Pflichtschul- noch im AHS-Bereich.
Anzahl englischer Muttersprachler begrenzt
Damit das System funktioniert, braucht man entsprechend viele Kinder mit Englisch als Muttersprache, unterstreicht Tschaikner. Während immer mehr deutschsprachige Familien ihre Kinder in einen - meist privaten und auch teuren - englischsprachigen Kindergarten schicken und die Kinder damit zweisprachig sind, ist allerdings die Zahl der in Wien lebenden englischen Muttersprachler beziehungsweise der Kinder aus tatsächlich zweisprachigen Familien begrenzt, so Tschaikner.
Er verweist interessierte Eltern daher auch an die GEPS-Klassen (Global Education Primary School). Hier wird täglich eine Stunde auf Englisch unterrichtet. Solche GEPS-Klassen gibt es derzeit an 17 Wiener Volksschulen. Englisch-Vorkenntnisse sind hier nicht nötig.
An den VBS-Standorten an Höheren Schulen bereitet man sich indessen auf die Umstellung auf die Zentralmatura vor. Künftig wird es so sein, dass alle VBS-Schüler die Deutschmatura so absolvieren müssen wie alle anderen Achtklässler im Regelschulwesen auch. Die teilzentrale Reifeprüfung startet im Schuljahr 2014/15. Für Lehrer an VBS-Klassen wird es daher ab dem kommenden Herbst verstärkt Weiterbildungskurse dazu geben, kündigt Waltraud Mori an, Landesschulinspektorin für die Allgemeinbildenden Höheren Schulen im Stadtschulrat.
Betont wird im Stadtschulrat zudem die Durchlässigkeit des VBS-Systems. Kinder, die keine VBS-Volksschule durchlaufen haben, können sich dennoch für einen Platz in der Sekundarstufe eins bewerben. Wird im "Orientation Talk" dann eine Eignung festgestellt, kann der Schüler auch im Alter von zehn Jahren - oder gar später - noch ins VBS-System einsteigen.