Asyl: Während das Innenministerium Asylwerber trotz Protesten in Wirtshäusern unterbringt, wird fieberhaft nach Lösungen für eine sinnvolle Unterbringung gesucht.
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Wien. Es klingt wie eine Gebetsmühle. Aber anders geht es wohl nicht. Am Donnerstag haben der Geschäftsführer des Diakonie-Flüchtlingsdienstes, Christoph Riedl, und die Leiterin des Wiener Integrationshauses, Andrea Eraslan-Weninger, auf Einladung der Grünen Menschenrechtssprecherin Alev Korun noch einmal ihre Vorstellungen präsentiert, wie aus ihrer Sicht eine menschenwürdige Grundversorgung von Asylwerbern aussehen soll.
Statt mit dem Ruf nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen den Boulevard zu bedienen, sollte man laut Korun die steigende Zahl der Schutzsuchenden zum Anlass nehmen, "eine solidarische Politik in Österreich wie auch in der EU zu installieren". Für Riedl sind drei Maßnahmen für ein tragfähiges Grundversorgungssystem, "das nicht durch einen Anstieg von ein paar tausend Schutzsuchenden wieder zusammenbricht", nötig.
Mehr Unterstützung, Zugang zum Arbeitsmarkt, Wohnraum
Erstens müsste die Zahl der Personen, die zu lange in Grundversorgung bleiben, reduziert werden. Da es zu wenig Unterstützung für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte gebe, schaffen diese den Übergang ins "normale" Leben erst verspätet. Zweitens erneuerte Riedl die Forderung nach der Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber nach sechs Monaten: Die Menschen "sind sehr ungern auf Almosen angewiesen", wenn sie selbst arbeiten dürften, würde dies die Grundversorgung entlasten. Bisher gab es von den zuständigen Ressorts - Innen- und Sozialministerium -immer ein striktes "Njet" in dieser Frage.
Riedls dritte Forderung: In der Unterbringung müsste stärker auf Privatwohnungen gesetzt werden. Das ist derzeit theoretisch möglich, die Unterstützung dafür ist aber derart minimal, dass es de facto ausgeschlossen ist. In Wien würde ein Asylwerber etwa 120 Euro dafür bekommen, meint Eraslan-Weninger - unmöglich, um diese Summe eine Wohnung anzumieten. Sie wünscht sich eine Anhebung der Kostensätze für die Betreuung, bessere Betreuungsschlüssel und die Finanzierung von Ausbildungsmaßnahmen wie etwa Deutschkursen. Dass dadurch das Budget zu stark belastet werden könnte, glauben weder sie noch Riedl: Zunächst müsste man zwar investieren, aber langfristig würde sich das auszahlen.
Ruf nach Professionalisierung der Flüchtlingsbetreuung
Generell sprach sich Riedl für eine Professionalisierung der Flüchtlingsbetreuung aus. Denn derzeit ist zwar die Lage durch die steigenden Asylwerber-Zahlen und den Aufnahmestopp in Traiskirchen so angespannt, dass das Innenministerium verzweifelt jedes Gasthaus als Unterkunft akzeptiert. Auf der anderen Seite ist es in vielen Bundesländern schon seit jeher üblich, grundversorgte Asylwerber in Pensionen oder nicht mehr rentablen Hotels unterzubringen. Im Burgenland beispielsweise gibt es keine von einer Institution betriebene Unterkunft für Erwachsene. Mit ein Grund für diese Entwicklung und dafür, dass es die Länder auch jetzt so schwer haben, Unterkünfte zu finden und damit ihre Quote zu erfüllen, ist laut Riedl die unsichere Finanzierung. Die Betreiber bekommen nur den Tagsatz pro Asylwerber, der sich in der Einrichtung befindet. Dadurch können sie nur mit einer 100-Prozent-Auslastung kalkulieren - "oder sie sind unternehmerische Hasardeure". Wenn aber die Zahl der Asylwerber steigt, stehen keine Notfallplätze zur Verfügung. Riedl setzt sich daher für eine Sockelfinanzierung der Einrichtungen -wie sie im gesamten Sozialsystem üblich ist - ein.
Arbeitserlaubnis Thema bei Flüchtlingsreferentenkonferenz
Eine von denen, die sich gerade intensiv darum bemühen, die Quote zu erfüllen, ist Martina Berthold, zuständige Landesrätin in Salzburg. Einfach ist das nicht. Denn natürlich hätte das Land prinzipiell das Recht, die Proteste der Gemeinden zu ignorieren und einfach Unterkünfte zu schaffen. Dies sei aber kontraproduktiv, "denn mir ist es wichtig, dass es ein gutes Miteinander gibt", sagt die Grüne zur "Wiener Zeitung".
Für Berthold wäre es leichter, wenn die Asylwerber arbeiten dürften. Bei der Landesflüchtlingsreferentenkonferenz, die kommende Woche in Klagenfurt stattfindet, will sie sich "als Minimalforderung" dafür einsetzen, dass Asylwerber zumindest in Mangelberufen arbeiten dürfen.
Qualitätsstandards nur für Unterkunft, nicht Betreuung
Ein weiteres Thema bei der Konferenz werden die Qualitätsstandards in der Unterbringung sein, an denen schon seit längerem gebastelt wird. Nach einem Bericht der Rechercheplattform dossier.at über verschimmelte Matratzen und unzureichende sanitäre Anlagen in vielen Unterkünften sollen nun für alle verbindliche Kriterien wie die Anzahl der Waschbecken und Kochgelegenheiten festgelegt werden. Doch es brauche auch Kriterien für die Betreuung, erläutert Riedls Stellvertreterin im Diakonie-Flüchtlingsdienst, Alexandra Gröller. Ein Drittel aller in Österreich Asylsuchenden sei traumatisiert - bei den meisten werde das nicht erkannt, psychologische Betreuung gebe es in der Grundversorgung kaum. Die ist nicht leistbar: Die NGOs sind dafür auf Spenden angewiesen. "Ich finde es nötig, dass die Politik auch auf die psychologische Betreuung schaut", so Berthold.
Doch dazu braucht es eine ausreichende Finanzierung. Und die ist derzeit nur nach Ansicht des Innenministeriums gegeben. Denn erst 2012 wurde der Tagsatz von 17 Euro auf 19 Euro erhöht. "Gar nichts ist erhöht worden", sagt Gröller. Der Tagsatz, der vor dem Abschluss der Grundversorgungsvereinbarung 2004 gezahlt wurde, läge heute - die Inflation einberechnet - bei 23 Euro. "Das Allermindeste, um eine ausreichende Betreuung zu gewährleisten, wären 25 Euro", sagt Gröller. Anita Bauer, stellvertretende Geschäftsführerin des Fonds Soziales Wien, hofft auf eine Valorisierung des Tagsatzes: "Uns ist klar, dass das mit 19 Euro immer schwieriger wird."
Für eine Änderung der Grundstruktur der Versorgung spricht sich Peter Kaiser, Kärntner SPÖ-Landeshauptmann und Gastgeber der Flüchtlingsreferentenkonferenz, gegenüber der "Wiener Zeitung" aus. Dazu gehöre neben rascheren Asylverfahren und einer solidarischen Verteilung in Österreich und der EU, "Vorhaltebetten" einzuplanen. So könnten kurzfristige Schwankungen abgefedert werden. Der Plan von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, statt zwei großer Erstaufnahmestellen in Traiskirchen und Thalham die Erstaufnahme in Außenstellen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in den Ländern abzuwickeln, stößt bei Kaiser auf Ablehnung. Er glaubt, dass so die Bundesländer in den Hauptschlepperrouten - Kärnten, das Burgenland und Tirol - besonders betroffen sind. "Dadurch wird das Problem nur verlagert."
Über Details seines Plans hüllt sich das Innenministerium übrigens in Schweigen. Auch dieser soll bei der Flüchtlingsreferentenkonferenz vorgestellt werden. Die Agenda ist also dicht, die Baustellen sind zahlreich - die Lösung bleibt vorerst das Wirtshaus.