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So gut wie seit Maria Theresia nicht mehr

Von Anton Kausel

Wirtschaft

Beste Prognose für Österreich für heuer seit sechs Jahren. | USA trotz Schwächen Spitzennation. | Wien. Die bisher eher vorsichtige Beurteilung unserer Wirtschaftslage durch beide Wirtschaftsforschungsinstitute weicht ab sofort einer recht zuversichtlichen Betrachtungsweise. Die heuer bereits einmal angehobene Wachstumsprognose von 2,6 Prozent ist der beste Wert seit sechs Jahren und trotzdem noch immer nicht das letzte Wort. Der EU-Durchschnitt wird damit bereits das vierte Jahr in Folge klar übertroffen. Sogar die medial überschätzten USA könnten auf Pro-Kopf-Basis ihren ohnehin nur kleinen Bonus vor Österreich bereits ganz einbüßen.


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Seit dem schweren internationalen Konjunktureinbruch von 2001 hat sich die österreichische Wirtschaft dank ihrer überlegenen Wirtschaftskraft wieder kräftig erholt und liegt heute in der Spitzengruppe der weltweiten Einkommenshierarchie so gut wie nie zuvor seit Maria Theresia.

Die wenigen Länder, die noch immer vor uns liegen, verdanken ihren Spitzenplatz kaum noch einer wirtschaftlichen oder technologischen Überlegenheit, sondern fast nur glücklichen Sonderfaktoren. Luxemburg als attraktiver Finanzplatz und urbaner Kleinstaat mit extremer Immigration ist ebenso nur bedingt vergleichbar wie etwa Norwegen mit seinem riesigen Erdölschatz, oder Irland als Nettoempfänger von massiven EU-Subventionen. Lediglich die USA sind als Spitzennation nach wie vor unangreifbar, ungeachtet ihrer fundamentalen Schwächen (Doppeldefizite, Marktanteilsverluste, Dollarschwäche, Inflation, soziale Ungleichheit, Umweltdefizite, Kriminalität).

Auch Inland zieht an

Im Wettbewerb mit der einst weit überlegenen Schweiz ist die Parität bereits in Griffweite gerückt und die bisherigen Vorzeigemodelle Finnland, Schweden, Kanada und Australien wurden zuletzt immer besser auf Distanz gehalten. Träger auf der Erfolgswelle Österreichs war vor allem die expansive Außenwirtschaft, wogegen die eher lahme Binnennachfrage erst seit 2004 wieder an Schwung gewinnt und damit den Durchbruch zur starken Gesamtwirtschaft ermöglicht. Alle ökonomischen Lichtblicke wurden aber immer wieder überschattet von einer trotz steigender Beschäftigung verschlechterten Arbeitslage.

Weniger Arbeitslose

Das Paradoxon, das es in dieser Form kaum noch jemals gegeben hat, erklärt sich aus einem übermäßigen Zustrom an Immigranten einerseits und aus dem wachsenden Interesse von bisherigen Hausfrauen an Teilzeitbeschäftigung andererseits. Sprunghaft steigende "offene Stellen" und trotzdem steigende Arbeitslosigkeit sprechen für regionale und berufliche Disharmonien am Arbeitsmarkt.

Seit Jahresmitte sinkt nicht nur die offizielle Arbeitslosigkeit kräftig, sondern sie sinkt auch erstmalig einschließlich der inoffiziellen "Schulungsteilnehmern". Damit steht auch einer endgültigen Lösung des am härtesten umstrittenen Wirtschaftszieles Vollbeschäftigung so gut wie nichts mehr im Wege, weil längerfristig das inländische Arbeitspotential aus demografischen Gründen sinkt, aber die Nachfrage auf jeden Fall steigen wird.

Gute Inflationsrate

Auch das Wirtschaftsziel Preisstabilität ist de facto ungefährdet. Mit der soliden Preisrate von weniger als zwei Prozent liegt Österreich deutlich besser als die EU und die USA. Die zügige Modernisierung der Gesamtwirtschaft hat nicht zuletzt zu einer perfekten Aktivierung der zuletzt eher labilen Handels- und Leistung geführt.

Schließlich ist auch der Staatshaushalt trotz teurer Steuerreformen seit mindestens zehn Jahren bestens unter Kontrolle. Der Abgang konnte in diesem Zeitraum auf weniger als ein Drittel minimiert werden. Das ehrgeizige Ziel eines Null-Defizits ist zwar noch nicht absehbar, aber die erlaubte Toleranzgrenze von minus drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) wird ganz im Gegensatz zur USA und zu den meisten EU-Ländern um rund die Hälfte unterboten.

Die wahren Hintergründe der Erfolgsgeschichte Österreichs reichen weit in die Vergangenheit zurück. Konjunkturelle Phänomene spielen dabei nur eine geringe Rolle. Die Grundpfeiler des Fortschritts sind erstens die beste Lohn-Stückkosten-Position seit 50 Jahren, dank höchster Produktivität und weiser Lohnpolitik seit Jahrzehnten, zweitens die hohe Qualität und gute Ausbildung der Arbeitskräfte, drittens hervorragendes Management und Unternehmerleistung, viertens ein überdurchschnittlicher rascher Strukturwandel und zügige Modernisierung dank expansiver Forschung und Entwicklung. Und fünftens garantiert die bewährte Sozialpartnerschaft seit Jahrzehnten die optimale Vereinbarkeit von Stabilität und Wachstum, um die uns heute die Konkurrenz noch immer beneidet.

Prof. Dr. Anton Kausel leitete von 1956 bis 1973 die Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und Öffentliche Finanzen im Wirtschaftsforschungsinstituts. Anschließend war er im Österreichischen Statistischen Zentralamt tätig. Von 1981 bis zu seiner Pensionierung 1984 bekleidete er dort das Amt des Vizepräsidenten.