)
Der Brenner und Innsbruck spielen in Andreas Khols Leben eine wichtige Rolle. Startvorteil ihm das dort aber keinen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Steinach am Brenner. Für Andreas Khol ist der Brenner eine "traumatische Grenze", wie er zu Beginn des Präsidentschafts-Wahlkampfs in Ö1 selbst sagte. "Als siebenjähriges Kind bin ich dort als Staatenloser von den Carabinieri den österreichischen Gendarmen übergeben worden. Also geht es mir sehr schlecht mit dieser Grenze", erzählte Khol.
Seit dieser Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ist viel Zeit vergangen, und seine politische Karriere brachte Khol weit weg von dieser Grenze. Nun, im Präsidentschaftswahlkampf, holt sie ihn wieder ein. Vergangene Woche begannen die Bauarbeiten für neuerliche Grenzkontrollen am Brenner, der Nord- und Südtirol trennt. Khol unterstützt diese Maßnahme: "Wenn wir das Grenzmanagement am Brenner nicht einrichten, ziehen wir erst recht die Flüchtlinge an diese Grenze."
Während diese neue Grenze aktuell scheinbar ganz Österreich beschäftigt, ist sie in der unmittelbaren Umgebung nicht das Hauptthema. Schon gar nicht, wenn das Gespräch auf die Bundespräsidentenwahl kommt. Da beschäftigen die Menschen im Wipptal andere Themen. Das Tal, das vom Brenner in die Landeshauptstadt Innsbruck führt, ist in Khols Biografie eine wichtige Achse. Es verbindet seine Südtiroler Wurzeln mit Innsbruck, der Stadt, wo er zur Schule ging, wo er studierte, wo er seine Frau kennenlernte, von wo er seine politische Karriere startete.
Diese persönliche Verbindung bringt Khol im Wipptal aber keinen politischen Startvorteil. Herr Rudolf eilt von der S-Bahn zu seinem Haus in Steinach am Brenner und resümiert die TV-Debatte des Vorabends. "Gefallen haben mir alle nicht, aber i werd halt doch einen wählen", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Pensionist macht das aber offensichtlich eher aus Staatsbürgerpflicht als aus Überzeugung. "Wir brauchen gar keinen Bundespräsidenten. Wofür brauchen wir den?", fragt er. "Wir sollten das so machen wie die Schweizer."
Politische Erfahrungmuss kein Trumpf sein
Wie er zum ÖVP-Kandidaten Khol steht, möchte Rudolf nicht sagen. Lorenz, ein Angestellter um die 50, ist auskunftsfreudiger: "Ich bin ÖVP-Mitglied, aber weiß zumindest, wen ich sicher nicht wählen werde: den Khol." Er lebt ebenfalls im Hauptort des Wipptals und ist generell kritisch mit seiner politischen Bewegung. "Die ÖVP ist derzeit ein chaotischer Haufen", sagt er.
Seine Ablehnung gegenüber Khol lässt sich wohl am ehesten mit Systemverdrossenheit erklären. "Er ist ein Politiker alten Typs. Er war Nationalratspräsident, jetzt war er noch Seniorenbundobmann, er ist ein alter
ÖVPler", sagt Lorenz. Das, was von Khols Wahlkampfteam als großer Trumpf verkauft wird - seine politische Erfahrung, seine Kontakte, seine Biografie als Polit-Profi -, schreckt sogar manche Parteimitglieder ab.
Selbst im ÖVP-Kernland kommt der in letzter Minute aus dem Hut gezauberte Kandidat nicht richtig gut an. Steinach ist zwar keine der klassischen ÖVP-Hochburgen wie im Tiroler Oberland, wo die ÖVP auch bei bundesweiten Wahlen traditionell weit jenseits der 50-Prozent-Marke zu liegen kommt. Die Gemeinde, mit knapp 3500 Einwohnern größter Ort des Wipptals, ist aber dennoch in ÖVP-Hand. Im Gemeinderat hat die ÖVP-nahe Allgemeine Heimatliste die klare absolute Mehrheit, bei der letzten Nationalratswahl 2013 lag die ÖVP mit gut 31 Prozent klar auf Platz eins.
Wen sie als nächsten Bundespräsidenten wählen wird, hat auch Brigitte noch nicht entschieden. Immerhin kommt das Gespräch, während sie beim Einkauf auf ihren Mann wartet, ungefragt auf Andreas Khol, wenn auch nicht unbedingt positiv. "Jetzt hat der Khol wieder den anderen niedergemacht", sagt sie wenig begeistert. Brigitte hat mit der modernen Wahlkampfführung generell ihre Probleme: "Ich verstehe nicht, warum man sich gegenseitig immer so runterdrücken muss."
"Wer tut denn sonst etwasfür uns Senioren?"
Khol dürfte bei ihr immerhin in der engeren Auswahl sein: "Den Khol, den kenn’ ich zumindest." Generell erwartet Brigitte aber nichts Gutes für das Amt. "Jetzt sind wir unseren Präsidenten so lange gewohnt gewesen. Egal, wer es wird, es wird eher eine Katastrophe werden", glaubt sie.
Dass es der anderen Hälfte der rot-schwarzen Republik auch hier in Tirol nicht besser geht, zeigt das Schicksal einer Angestellten, die kurz vor der Pensionierung steht. Sie kam vor rund 40 Jahren aus Wien nach Tirol. Die "Wiener Zeitung" trifft sie praktisch direkt bei der Stimmabgabe, sie kommt aus der Post und hat gerade ihre Briefwahlstimme abgegeben. Viel Bedeutung misst sie ihrer Stimme nicht bei. "Es macht keinen Unterschied, wen man wählt, es sind alle ein und dieselben", sagt die Angestellte. Nur von einer Partei ist sie besonders enttäuscht: "Ich war immer eine Rote und war Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes. Doch als ich einmal Hilfe gebraucht hätte und nach 40 Jahren in der Gastronomie umsatteln wollte, war keiner da. Jetzt wähle ich so, wie ich es für richtig halte", sagt die Angestellte.
Zu Khol sagt sie nur so viel, die engere Herkunft sei nicht entscheidend für die Stimmabgabe. Khol geht vor allem außerhalb Tirols als Tiroler durch, was wohl daran liegt, dass er seine Sprache mit wohldosiertem Tiroler Idiom färbt. Den prototypischen Weg eines Tiroler Politikers stellt man sich aber anders vor. Khol hat seine politische Basis seit Jahrzehnten in Wien. Als Verfassungsjurist ist er eher dem intellektuellen Flügel der ÖVP zuzuordnen.
Ein gemeinde- oder landespolitisches Mandat hatte Khol nie inne, weder in Tirol noch sonstwo. "Er ist ja eigentlich kein Tiroler, sondern ein Südtiroler", meint Alfons, ein Pensionist aus Trins in einem Seitental des Wipptals. Doch auch für Alfons ist die engere Herkunft nicht entscheidend. Immerhin ergibt er sich als unumwundener Khol-Fan zu erkennen. Die Chancen des ÖVP-Kandidaten auf das Amt erhöht das aber keineswegs. "Den könn ma nit wählen", sagt Alfons. "Den brauchen wir Senioren. Wer tut denn sonst etwas für uns? Überhaupt, wenn die Blauen an die Regierung kommen."