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"So schlachtet man Ungläubige"

Von Daniel Bischof

IS-Sympathisant rechtskräftig zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt.


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Wien. Mit einer Sense mäht der Angeklagte in einer im Gerichtssaal abgespielten Videoaufnahme die vor ihm befindlichen Gräser nieder. Mit einem Freund unterhält er sich dabei auf Tschetschenisch. "Was sagen Sie da in dem ersten Satz?", will Alexandra Skrdla, die vorsitzende Richterin des Schöffensenates, vom 18-jährigen Angeklagten wissen. "So schlachtet man Ungläubige", antwortet er.

Wegen des Verbrechens der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und des Vergehens des unbefugten Besitzes genehmigungspflichtiger Schusswaffen musste sich der Angeklagte am Dienstag vor dem Wiener Straflandesgericht verantworten. Auf seiner Facebook-Seite hat der junge Mann laut der Staatsanwaltschaft Wien monatelang Propagandavideos der Terrormiliz IS gepostet. Ein von ihm selbst erstelltes Video wird während der Verhandlung vorgespielt.

Mehrfach soll der Angeklagte angekündigt haben, in das vom IS kontrollierte Gebiet reisen zu wollen. Zudem soll er unbefugt eine Schusswaffe besessen haben - sie wurde bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt. Der unscheinbar wirkende junge Mann zeigt sich zu Prozessbeginn geständig.

Aus Tschetschenien geflüchtet

Um mehr über die Motive und die Radikalisierung des Angeklagten zu erfahren, wird anfangs viel über seinen Werdegang gefragt und geredet. Als Fünfjähriger flüchtete er in den frühen 2000er Jahren vor dem Krieg in Tschetschenien nach Österreich. Alsbald geriet er auf die schiefe Bahn: Wegen Raubes wurde er zu einer zweijährigen unbedingten Haftstrafe verurteilt.

Nach 14 Monaten Haft wurde er im Juli 2015 bedingt entlassen - unter Auflage gerichtlicher Weisungen. Diesen kam er nur in unbefriedigendem Ausmaße nach: Nur einen einzigen Therapietermin nahm er innerhalb eines knappen halben Jahres wahr.

"Wie sind Sie auf die IS-Geschichte aufmerksam geworden?", fragt Skrdla den 18-Jährigen. Im Gefängnis habe ihm ein Mitgefangener über den IS erzählt, sagt der Angeklagte. Während seiner Haft zeichnete er ein Bild mit der Aufschrift "Sei Terror". Als er dann aus der Haft entlassen worden sei, seien alle Leute, die eher früher gekannt habe, religiös geworden. Einige seiner Freunde hätten in Syrien für den IS gekämpft und seien auch dort gestorben. Auch sein Cousin soll unter den Opfer sein.

"Ich wollte dazugehören. Ich habe nur so getan, als ob mir das gefallen würde", sagt er über die von ihm geposteten Propagandavideos - sie zeigen unter anderem brutale Hinrichtungen. Die Vorsitzende Skrdla will den Angeklagten verstehen und zitiert aus seiner Akte. So soll er unter anderem zu einem Bewährungshelfer gesagt haben: "Du bist ein Kuffar (Anm.: Ungläubiger) und gehörst geschlachtet."

"Wer kämpft denn eigentlich in Syrien?", will Skrdla wissen. "Konkret weiß ich das alles nicht", antwortet der junge Mann. Ihm sei erzählt worden, dass der IS für die Religion kämpfe. Auch für den Klingelton des Angeklagten interessiert sich Skrdla: "Was hört man da konkret?", fragt sie ihn. "Allahu Akbar. Schüsse. Waffen, die durchgeladen werden", sagt er. Warum er so einen Klingelton habe, wisse er nicht - ein Freund habe ihn am Handy gehabt, er habe ihn dann runtergeladen. "Sie wissen sehr viel nicht", kommentiert Skrdla.

Zu hitzigen Szenen kommt es bei den anschließenden Zeugenbefragungen. Kaum hat der Vater des Angeklagten den Gerichtssaal betreten, erklärt er sofort, nicht aussagen zu wollen. Als er bei der Zuschauerbank Platz nehmen will, wird Srkdla lauter: "Setzen Sie sich!", herrscht sie ihn an und weist auf den Zeugentisch. Er habe als Zeuge das österreichische Gericht zu respektieren und eine Vorbildfunktion für seinen Sohn. Der Vater folgt der Anweisung und macht dann formell von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Auch die restlichen Familienmitglieder - drei Frauen, die in einem Hidschab gekleidet sind - verweigern die Aussage.

"Leeres, blödes Gerede"

Weiters werden drei junge Frauen befragt, welche mit dem Angeklagten nach islamischen Recht - aber inoffiziell - verlobt waren. Eine junge, bis auf das Gesicht verschleierte Frau kennt den Angeklagten nur über Facebook. Bei Gericht sieht sie ihn das erste Mal persönlich. Ihr Chatverlauf, bei dem sie mit dem Angeklagten über den IS und Ungläubige sinnierte, sei nur "leeres, blödes Gerede gewesen".

Überhaupt habe sie den Inhalt des Chats vergessen. Die Propagandabeiträge des Angeklagten habe sie zudem nur geliked, weil "man liked das halt so." Aber liken heißt doch mögen, fragt man sie. "Ja, normalerweise schon. Aber manchmal liked man Sachen einfach so", sagt die Zeugin. "Sie glauben, wir sind ja so westlich und verweichlicht, dass Sie uns pflanzen können. Wir sind aber auch irgendwie stolz darauf. Weil wir sind tolerant - und Ihr nicht", sagt der beisitzende Richter Norbert Gerstberger daraufhin zu ihr.

Der Schöffensenat spricht den 18-Jährigen im Sinne der Anklage schuldig und verurteilt ihn zu einer zweijährigen unbedingten Haftstrafe. Weiters wird die zum eingangs erwähnten Raub gewährte bedingte Strafnachsicht - im Ausmaß von zehn Monaten - widerrufen, da der Angeklagte "nicht paktfähig" sei, hält Skrdla fest. Sowohl Verteidiger Mirsad Musliu als auch Staatsanwältin Kristina Jahn verzichten auf Rechtsmittel - das Urteil ist damit rechtskräftig.