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Washington will die Kurdenmiliz YPG in Syrien mit modernen Waffen ausrüsten.
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Ankara/Bagdad. "Wir sind doch eure Cousins und Cousinen", sagen die Kurden - und meinen Deutsche, Österreicher und auch ein bisschen die Holländer, jedenfalls alle Menschen aus der indogermanischen Sprachfamilie.
Die Nähe zu Europa und zum Westen ist demnach kulturell und historisch bedingt. Im kurdischen Teil des Iraks ist man auf diese vermeintliche Verwandtschaft besonders stolz. Sie grenzt ab - vom Rest des Landes, wo vorwiegend Araber leben, - und von der Türkei gleich nebenan.
Jetzt, da US-Präsident Donald Trump die Bewaffnung der syrischen Kurden angeordnet hat, fällt der ethnischen Minderheit in der Region noch mehr Bedeutung zu. Nachdem Deutschland die kurdischen Peschmerga im Nordirak aufgerüstet hat, bekommen sie nun auf der syrischen Seite ebenfalls schweres westliches Militärgerät. Zwar war die Unterstützung der YPG bereits unter US-Präsident Donald Trumps Vorgänger Barack Obama gegeben. Die US-Amerikaner kooperierten ihre Luftangriffe mit diesen "Volksverteidigungseinheiten", die Teil eines Bündnisses mit dem Namen Syrische Demokratische Kräfte (SDF) sind. Aber bewaffnet wurden sie nicht. Die alte AK-47 war ihre Ausrüstung. Jetzt sollen sie Handfeuerwaffen, amerikanische Maschinengewehre, Munition und gepanzerte Fahrzeuge aus US-Beständen bekommen.
Die Türkei ist alles andere als glücklich darüber. Die Entscheidung, die kurdischen Kämpfer auszurüsten, dürfte die Spannungen zwischen Washington und Ankara verschärfen. Schon zu Obamas Zeiten kritisierte die türkische Regierung die Unterstützung der USA für die kurdische Miliz in Syrien. Die Reaktion aus Ankara ließ daher nicht lange auf sich warten. Von einem "falschen Weg" spricht die türkische Regierung - und geht mit der Trump-Administration hart ins Gericht. Waffenlieferungen an die kurdische YPG seien "inakzeptabel", sagte der stellvertretende Regierungschef Nurettin Canikli dem Fernsehsender A Haber. Diese Politik nutze niemandem.
"Wir können nicht die Anwesenheit terroristischer Organisationen akzeptieren, die die Zukunft des türkischen Staates bedrohen würden." Er hoffe, dass die US-Regierung von ihrem falschen Weg abrücke. "Man kann nicht im selben Sack wie terroristische Organisationen stecken", so Canikli. Interessant dabei ist, dass Staatschef Recep Tayyip Erdogan sich bis jetzt nicht persönlich eingeschaltet hat und "nur" den stellvertretenden Regierungschef zu Wort kommen ließ. Anscheinend will der ansonsten leicht entzündbare türkische Präsident die direkte Auseinandersetzung mit Trump vorerst meiden. Nächste Woche wird er bei seinem Amtskollegen in Washington erwartet.
"Wir wollen klaren Sieg gegen den IS", heißt es aus den USA
Die YPG ist im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) einer der wichtigsten Verbündeten der USA. Die Regierung in Ankara betrachtet die YPG allerdings als verlängerten Arm der PKK, die in der Türkei für eine größere kurdische Autonomie kämpft. Die PKK wird auch von der EU und den USA als Terrorgruppe eingestuft.
Für die US-Amerikaner scheint das im Kampf gegen den IS im Moment zweitrangig zu sein. US-Offiziere loben die gute Ausbildung der YPG, ihre Verlässlichkeit und den Kampfeswillen der Guerillatruppen. Man wolle einen klaren Sieg gegen den IS erringen, hieß es aus dem Pentagon in Washington als Begründung für Trumps Entscheidung zur Bewaffnung der Kurdenmiliz.
Die Herkunft des Volkes der Kurden liegt weitgehend im Dunkel der Geschichte verborgen. Historiker vermuten ihren Anfang irgendwann gegen Ende des zweiten Jahrtausends v. Chr. mit der Einwanderung indogermanischer Arier in den Iran. Bewiesen ist das allerdings nicht. So ist die Überzeugung der Kurden, Cousins und Cousinen von Deutschen, Österreichern und Holländern und damit zum Westen zugehörig zu sein, höchst fragwürdig - aber wirksam.
Denn auch in den irakischen Kurdengebieten wird Trumps Entscheidung mit Wohlwollen aufgenommen. "Die Amerikaner unterstützen uns Kurden sowieso" ist man sich in Erbils Sportbar sicher, ein Ort, wo Abend für Abend vornehmlich westliche Ausländer und Kurden ihr Bier trinken. Die irakischen Kurden wollen nun vorpreschen und ein Referendum für oder gegen ein von Bagdad unabhängiges Kurdistan abhalten.
Diese Volksbefragung ist zwar schon öfters angekündigt worden, zum letzten Mal genau vor einem Jahr, als Kurdenpräsident Masoud Barzani verlauten ließ, man werde abstimmen, bevor die US-Amerikaner ihren nächsten Präsidenten gewählt hätten.
Donald Trump ist nun schon mehr als 100 Tage im Amt. Doch jetzt sei es ernster denn je, meinen die Feierabendbiertrinker in Erbil, Irak-Kurdistans heimlicher Hauptstadt. "So viel westliche Unterstützung hatten wir noch nie." In Kirkuk, Nordiraks bedeutendster Ölstadt, ist das gewachsene Selbstbewusstsein der Kurden am deutlichsten sichtbar. Neben der irakischen Flagge weht auf öffentlichen Gebäuden seit Kurzem auch die kurdische Fahne.
Warnungen des irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi, des türkischen Präsidenten und des iranischen Außenministers, die jeweils zum sofortigen Einholen der kurdischen Flagge aufgefordert haben, blieben bisher erfolglos. Der Provinzrat von Kirkuk hat am Dienstag mehrheitlich für die Abhaltung eines Referendums über die Zugehörigkeit der Provinz zum Kurdengebiet entschieden.