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Österreicher testen im Oman bemannte Expedition zum Roten Planeten.
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Wien. "Wir sind auf dem Mars gelandet", zeigte sich Richard Tlustos am Donnerstag um 13 Uhr zufrieden. Und zwar ohne Rakete. Tlustos’ Team setzt eine geglückte Landung auf dem Roten Planeten nämlich quasi voraus. Um die Unwägbarkeiten von bemannten Expeditionen kennenzulernen, üben sechs Analog-Astronauten des Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) nun das Dasein auf dem Mars, für den die Dhofar Wüste im Süden des Sultanats Oman Modell steht. "Was wir Landung nennen, ist der selbst gewählte Zeitpunkt heute Mittag, an dem wir die Simulationen gestartet haben", erklärte Tlustos, Flugdirektor der Mission, im Telefonat mit der "Wiener Zeitung".
Zwei Jahre lang hatte eine Crew von Wissenschaftern und Technikern aus 25 Ländern die Szenerie vorbereitet. Hatte ein Testgelände gefunden, das der Marsoberfläche ähnelt, mit sedimentären Strukturen, die bis zum Paläozän zurückreichen, Salzkuppeln, ausgetrockneten Flussbetten, sandigen Oberflächen und steinigen Hängen. Hatten eine Raumstation gebaut als Basis, Freiwillige gesucht als Tester und die Auserwählten dafür ausgebildet, bis 28. Februar die Einschränkungen des Daseins auf dem Mars zu erfahren.
Seit Donnerstag befinden sich die Beteiligten in der "Isolations-Phase". Nun können sie mit der "Erde", oder genauer: mit dem ÖWF in Innsbruck, nur mit zehnminütiger Verzögerung kommunizieren. So lange dauert es für Funksignale von unserem Heimatplaneten zu ihrem äußeren Nachbarn. Wenn die Bodenstation also fragt: "Wie geht es euch?", muss sie zehn Minuten auf die Antwort warten, und umgekehrt. Der erste Programmpunkt des Weltraum-Teams war, in die "analogen Raumanzüge" zu schlüpfen. Diesen wiegen rund 50 Kilogramm und sind laut dem ÖWF-Vorstand Alexander Soucek überaus "intelligent", da sie etwa mit W-LAN und zahlreichen Sensoren ausgerüstet seien. "Er ist ein Raumschiff zum Anziehen", betonte Soucek am Donnerstag vor Journalisten in Innsbruck.
19 Experimente und Projekte sollen im Oman stattfinden. Unter den zum Zug kommenden Institutionen sind zahlreiche aus Österreich, es konnten aber auch Teams aus Israel und Nordamerika punkten. Im Bereich Humanwissenschaften wollen die Forscher die veränderten Umstände des Zusammenlebens näher untersuchen. Sie analysieren körperliche und geistige Erschöpfung, Team- und Problemlösungsfähigkeit und Situationsbewusstsein der Astronauten. Die verbale Kommunikation zwischen den Besatzungsmitgliedern wird mit einer speziellen Spracherkennungssoftware analysiert.
Weiters kommt ein aufblasbares, mobiles Labor zum Anbau von Kleingemüse zum Einsatz. Auch ein autonomes Boden-Untersuchungssystem wird erprobt und eine Drohne, die (wie auf dem Mars) ohne GPS arbeiten muss, sondern die Umgebung über Bildgebung erkunden soll. Ein autonomer Rover unterstützt als "Marsfahrzeug" die Besatzungsmitglieder beim Kartieren der Oberfläche. Weiters gibt es einen windbetriebenen Kleinrover für kürzere Ausflüge und ein Funk-Navigationssystem für Außenbordeinsätze. Auch Bodenradar, ein Spektrometer zum Erfassen von Strahlungsspektren und ein Geophon, das die Reflexion von Ultraschallwellen, kommen zum Einsatz.
Know-how aus 25 Nationen
Die Ergebnisse dienen vorbereitenden Entwicklungen für bemannte Mars-Expeditionen und gehen an nationale Raumfahrtagenturen. "Feldforschung in einer Mars-ähnlichen Umgebung durchzuführen, ist eine hervorragende Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und die Grenzen der Erkundung fremder Planeten zu verstehen", betont der Leiter der Mars-Simulation im Oman, Gernot Grömer, in einer Aussendung des ÖWF.
Doch wie realistisch lassen sich die Bedingungen auf dem lebensfeindlichen Mars mit seiner dünnen Atmosphäre und seinen eisigen Temperaturen in einer Wüste nachstellen, die an einer fruchtbaren Küste liegt? "Analog-Forschung heißt so wie auf dem Mars, bedeutet aber keine 100-prozentige Übereinstimmung", erläutert Tlustos. "Wir simulieren Abwesenheit von Vegetation und trockene Flussbetten."
Für das ÖWF ist dies die zwölfte Analog-Mission. Es zählt nach eigenen Aussagen zu jenen Instituten, die die komplexesten derartigen Übungen durchführen. Ohne sie käme wohl kein bemannter Raumflug zustande: "Auch als das Auto erfunden wurde, musste man den ersten Wagen testen. Heute kommt kein Modell auf den Markt, das nie in einer Testanlage war", sagt Tlustos.