Zum Hauptinhalt springen

So wird die Wirtschaft krisensicher

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Große Staaten mit hohem Binnen- konsum im Vorteil. | Island, Russland: Spezialisierung macht krisenanfällig. | Österreich muss im Technologieduell Nischen besetzen. | Wien. "Damit das nicht wieder passieren kann", ist einer der Lieblingssätze von Politikern, wenn es um das Aufräumen nach der Wirtschaftskrise geht: um neue Regeln, um Reformen, sei es rund um die Finanzindustrie, sei es die Sanierung der Staatshaushalte - wo immer sich Schwachstellen in der Volkswirtschaft gezeigt haben. | Interview mit Wifo-Experten Marcus Scheiblecker: , Das Gefährliche war die Illusion der hohen Finanzgewinne´


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Viel ist im Nachhinein von "hätte" und "wäre" die Rede: Zu lasche Regeln für die Banken (wie in den USA oder in Großbritannien), zu sorgloser Umgang mit dem Staatsbudget (wie in Griechenland), der wäre zu bekämpfen gewesen.

Frühere Tugenden wurden in Gefahrenquellen umgedeutet: Deutschland habe sich mit seiner Weltmeisterschaft bei den Exporten selber geschadet, sagen Kritiker. Auch hierzulande bekam die Wachstumsstory einen Knacks: Österreich hätte sich nicht so weit nach Osteuropa vorwagen sollen, meinte der Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger Paul Krugman.

Diese und andere Schwarzmalereien haben sich mittlerweile teils als falsch herausgestellt. Viele Krisenerscheinungen verflüchtigen sich rascher als prognostiziert, andererseits gibt es wieder Konjunktursorgen in den USA.

Wie muss eine Volkswirtschaft in der entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft beschaffen sein, damit sie krisenresistent ist? Gibt es einen idealen Mix von Branchen? Was soll, was kann die Politik leisten? Und: Wie ist Österreich in Bezug auf diese Kriterien aufgestellt?

Wer schon lang wackelt, fällt in der Krise um

Ulrich Schuh, Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS), sagt, Österreich habe in der vergangenen Krise auch Glück gehabt. "Die Steuerreform war ausverhandelt und die Lohnrunde vom Herbst 2008 - unter dem Eindruck einer hohen Inflation - war schon über die Bühne. Das war gut für den Konsum", sagt Schuh. Und er ergänzt: "So etwas kann man nicht aus dem Ärmel schütteln."

Wenn es um Krisenfestigkeit geht, kann man Volkwirtschaften durchaus mit Unternehmen vergleichen, meint Schuh. Wackelkandidaten, bei denen es schon vor der Krise hinten und vorn gekracht hat, fallen schneller um. "Das hat man bei General Motors und Chrysler gesehen, das hat man bei Griechenland gesehen."

Eine große Volkwirtschaft mit einem hohen Anteil an Binnenkonsum ist vor äußeren Krisen besser geschützt als eine kleine, offene Volkswirtschaft. Das kann sich aber kein Land aussuchen, meint Schuh. Hohe Spezialisierungen - wie auf Rohstoffe in Russland - machen sehr krisenanfällig. Österreich habe hingegen relativ ausgewogene Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland: Neben den Industrieexporten darf man den Tourismus nicht vergessen.

Auf der Ebene der Staaten sind für eine gewisse Krisenfestigkeit die zentralen Faktoren: ein stabiler Staatshaushalt, niedrige Inflation, die Wettbewerbsfähigkeit und ein flexibler Arbeitsmarkt. Mindestens ebenso wichtig sind eine funktionierende Verwaltung und Rechtssicherheit. "Solche Faktoren wirken wie ein Immunsystem. Wenn sie in Ordnung sind, ist das ein Schutz, aber keine Garantie gegen eine Krise."

Schuh hält wenig von Eingriffen des Staates in die Wirtschaftsstruktur. Island habe zum Beispiel den Finanzsektor massiv gefördert, was vor drei bis vier Jahren noch jeder gut gefunden habe. Trotzdem sei es ein folgenschwerer Irrtum gewesen. "Es ist ein Fehler der Wirtschaftspolitik, wenn sie meint, sie muss irgendwelche Weichen stellen." Wo zukunftsträchtige Geschäftsfelder sind, finden die Unternehmen am besten selbst heraus. "Im Vorhinein weiß man nie, wo die großen Renner der Zukunft sind, und man weiß auch nie, wo die Krise einschlägt", meint Schuh. Der Staat sollte sich auf die Rahmenbedingungen beschränken.

Österreichs Chance: Komplementär agieren

Christian Helmenstein, Chefökonom in der Industriellenvereinigung, sieht sehr wohl eine gewisse Krisenvorsorge darin, zukunftsträchtige Branchen und Geschäftsfelder zu definieren und zu fördern. Er sieht die Elektromobilität und die alternative Energiegewinnung als die großen Blockbuster der Zukunft; allerdings: "Österreich hat weder die Betriebsgrößen noch die Mittel für ein globales strategisches Kompetenz- oder Technologieduell", sagt Helmenstein. Er nennt als Beispiel den südkoreanischen Samsung-Konzern, der nicht weniger als 16 Milliarden Dollar in die Entwicklung von Antriebsakkus für E-Autos steckt: "Österreich braucht dazu eine komplementäre Nischentechnologie".

Wegen der geringen Batterien-Reichweite müssen die Aggregate im E-Auto auf Energieeffizienz getrimmt werden. "Da sind 60 Prozent drinnen", sagt Helmenstein, "zum Beispiel in der Klimaanlage." Oder: Viele Rohstoffe sind knapp, wie Lithium für die Batterien und andere "Seltene Erden" für die moderne Elektro- und Elektronikindustrie. Österreich könnte da eine profitable Recyclingindustrie aufbauen, um Monopolanbietern von Rohstoffen wie China die Stirn bieten zu können.