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Sofias Ringen mit dem Wandel

Von Martyna Czarnowska

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Anforderungen der EU, ökonomische Probleme sowie Zwistigkeiten zwischen Regierung und Präsident machen Bulgarien zu schaffen.


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Der Stacheldrahtzaun kommt doch nicht. Denn der Protest der Türken war so heftig, dass die Bulgaren ihr Vorhaben zurückzogen. Die Regierung in Sofia hatte geplant, an der Grenze zur Türkei einen Stacheldrahtzaun zu errichten - so wie früher, zu kommunistischen Zeiten. Dadurch sollte eine mögliche Übertragung der Maul- und Klauenseuche durch weidende Tiere, die sich nicht um Grenzen kümmern, vermieden werden. Das war die offizielle Begründung.

Allerdings lag der Verdacht nahe, dass Bulgarien mit den Plänen zur Errichtung des Zauns der EU seine Bereitschaft zeigen wollte, die Außengrenzen der Union besser zu schützen. Immerhin will das Land - zusammen mit dem Nachbarn Rumänien - der Schengen-Zone beitreten, in der die Grenzkontrollen wegfallen. Dafür aber sei es noch nicht genug vorbereitet, befinden einige EU-Staaten, allen voran Frankreich und Deutschland. So wird es nun nichts mit dem Schengen-Beitrittstermin Ende März.

Überhaupt hat die EU an ihren jüngsten Mitgliedern Bulgarien und Rumänien einiges auszusetzen. So gingen Reformen etwa im Justizbereich nur schleppend voran, und auch im Kampf gegen Korruption sowie organisierte Kriminalität zeigten Sofia und Bukarest nicht die erwünschte Entschlossenheit und Durchsetzungskraft.

Das bemängeln auch Nichtregierungsorganisationen. So wies das Zentrum zur Erforschung der Demokratie in Sofia darauf hin, dass die Korruption in der bulgarischen Wirtschaft im Vorjahr wieder gestiegen ist. Die Wirtschaftskrise habe die Unternehmen abhängiger von der staatlichen Verwaltung gemacht - und dadurch anfälliger für Korruption, heißt es in einem vor kurzem präsentierten Bericht. Fast jede sechste befragte Firma soll 2010 Schmiergeld bezahlt haben.

Das ist aber nur eines der ökonomischen Probleme, mit denen sich die Regierung des ärmsten EU-Landes auseinandersetzen muss. Zwar soll die Wirtschaft heuer um mehr als drei Prozent wachsen. Doch ist die Arbeitslosenrate auf neun Prozent gestiegen. Mehr als 120.000 Arbeiter haben in den letzten zwei Jahren ihren Job verloren; jeder Fünfte unter 29 Jahren ist arbeitslos. Die Lebensmittelpreise stiegen; die Gehälter von Beamten wurden eingefroren.

Dementsprechend sank auch die Beliebtheit der Mitte-Rechts-Regierung von Premier Bojko Borissow. Lag die Zustimmung der Bevölkerung beim Amtsantritt 2009 noch bei 40 Prozent, ist sie derzeit auf 26 Prozent gesunken. Dennoch hat das Kabinett vor wenigen Wochen ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden - nicht zuletzt dank der Unterstützung der extrem nationalistischen Partei Ataka.

Deren Vorsitzender Wolen Siderow hat nun angekündigt, bei der Präsidentschaftswahl im Herbst antreten zu wollen. Schon 2006 kandidierte er - und ist sogar in die Stichwahl gegen Amtsinhaber Georgi Parwanow gekommen. Doch gewann der Staatschef.

Parwanow selbst - der kommende Woche Österreich besucht - darf nach seiner zweiten Amtszeit im Herbst nicht mehr antreten. Doch scheint er nicht vorzuhaben, sich danach aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Beobachter schließen nicht aus, dass der Sozialist in ernsthafte Konkurrenz mit Premier Borissow treten wird, der bis 2013 gewählt wurde.

Rivalität zwischen den beiden herrscht schon jetzt. Lange Zeit bemühte sich das rechte politische Lager in Bulgarien um eine Amtsenthebung des Präsidenten, der als Agent des kommunistischen Geheimdienstes enttarnt worden war. Es blieb ohne Erfolg.