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Sofias sinkender Stern

Von Martyna Czarnowska

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Bulgariens Regierung hat nicht nur mit schwindender Zustimmung innerhalb der Bevölkerung zu kämpfen. Auch im Parlament verliert sie immer mehr an Unterstützung.


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Bojko Borissow zeigt sich zufrieden ob der Lage seines Landes. "Beim Nachbarn fließt Blut auf den Straßen, und wir eröffnen Straßen, Sporthallen und Museen", sagte der bulgarische Premier bei der Eröffnung des ersten Museums für zeitgenössische Kunst in Sofia. Gäbe es sein Kabinett nicht, befand der Politiker, würde Chaos im Land herrschen - ähnlich wie jenseits der Grenze, wo die Griechen sich in teils gewalttätigen Demonstrationen gegen den Sparkurs der Regierung auflehnen.

Allerdings teilen nicht alle die berufsbedingt optimistische Meinung des Ministerpräsidenten. Vielmehr wird auch dieser selbst dafür verantwortlich gemacht, die wirtschaftliche Krise im ärmsten EU-Land nicht meistern zu können. Genau so lautete der Vorwurf der sozial-liberalen Opposition, die einen Misstrauensantrag gegen die bürgerliche Regierung im Parlament einbrachte.

Zwar überstand das Minderheitskabinett Borissows am Freitag das Votum, die zweite derartige Abstimmung innerhalb eines Dreivierteljahres. Doch sind die Probleme, vor denen es steht, damit keinesfalls gelöst - obwohl Sofia sehr wohl Sparmaßnahmen eingeleitet hat. So konnte das Budget unter drei Prozent gedrückt werden; die vom Staat gezahlten Einkommen und Pensionen sowie die staatlichen Ausgaben wurden seit 2009 nicht mehr erhöht.

Doch hat erst vor kurzem das US-amerikanische "Business Insider Magazine" Bulgarien auf den 13. Platz unter jenen 21 Ländern gereiht, die am meisten von einem Bankrott gefährdet sind. Und im April gehörte das Land zu den EU-Staaten mit dem höchsten Anstieg der Arbeitslosenrate. War im Vorjahr noch jeder zehnte Bulgare offiziell ohne Job, so stieg die Zahl nun auf 11,4 Prozent. Das monatliche Durchschnittsgehalt übersteigt kaum 300 Euro.

Nicht zuletzt deswegen ist die Zustimmung für die Regierung innerhalb der Bevölkerung in den vergangenen Monaten rapide gesunken. Und auch im Parlament schwindet die Unterstützung für Borissows Partei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens), die 117 Mandate von 240 Sitzen hält.

Denn mit der Gefolgschaft der nationalistischen Fraktion Ataka kann die Regierung nun nicht mehr so oft rechnen. Die Gruppierung rund um Wolen Siderow hat sich nach einem Polizeieinsatz gegen Ataka-Anhänger, die vor wenigen Wochen betende Muslime vor einer Moschee in Sofia störten, distanziert - aber nicht von den pöbelnden Nationalisten, sondern von den Behörden, die Strafverfahren gegen die Ataka-Sympathisanten eingeleitet haben.

Dass das politische Klima in naher Zukunft weniger erhitzt ist, zeichnet sich nicht ab. Immerhin rücken die nächsten Wahlen näher: Wie das Parlament diese Woche festgelegt hat, sollen die Bulgaren am 23. Oktober über einen neuen Präsidenten abstimmen. Gleichzeitig finden Lokalwahlen statt.

Spekulationen, er selbst werde sich um das Amt des Staatschefs bewerben, wischte Borissow bereits vom Tisch. Der derzeitige - sozialistische - Präsident Georgi Parwanow wiederum darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Beide Parteien zögern noch, ihre Kandidaten für die Wahl bekanntzugeben.

Fixstarter ist schon Wolen Siderow. Auch Meglena Kunewa, die erste bulgarische EU-Kommissarin, hat ihre Kandidatur angekündigt. Sie gehört der liberalen Nationalen Bewegung von Ex-König und Ex-Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski an. Kunewa mahnt eine Kursänderung ihres Landes ein. Dieses sei nämlich vier Jahre nach dem EU-Beitritt gerade dabei, sich von Europa zu entfernen.