Bürgermeister Michael Ludwig präsentierte Maßnahmen gegen Integrationsprobleme in Schulen.
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Wien. Nach der Aufregung um das Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer" der Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger (die "Wiener Zeitung" hat berichtet) hat Bürgermeister Michael Ludwig am Donnerstag vor ausgewählten Journalisten Maßnahmen angekündigt, um den Lehrerinnen und Lehrern in Wien "den Rücken zu stärken":
Unter anderem hat der Stadtchef schnelle Unterstützung etwa durch die Installierung einer eigenen Telefonhotline für Lehrer in Aussicht gestellt. "Eine Soforthilfe, ohne den Dienstweg einhalten zu müssen", wie Ludwig es formulierte. Die Hotline soll in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft eingerichtet und als Stabsstelle beim Stadtschulrat angesiedelt werden.
Weiters soll so bald wie möglich eine Soforthilfe-Truppe - bestehend aus Schulsozialarbeitern, Schulpsychologen, Beratungslehrern sowie Grätzelpolizisten - ihre Arbeit aufnehmen, um auf soziale Probleme unbürokratisch reagieren zu können. Auch die Kinder- und Jugendhilfe soll enger mit den Schulen verknüpft werden, wie etwa Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky erklärte. Die MA11 würde diesbezüglich gerade in Richtung Regionalisierung umstrukturiert.
Mehr Zeit in der Schule als Sanktionsmaßnahme
Als dritte Maßnahme nannte Ludwig die Überprüfung der Sanktionsmöglichkeiten bei Regelbrüchen. Wobei er sich gegen das Einfrieren der Familienbeihilfe aussprach, wie das etwa am Mittwoch von der ÖVP gefordert wurde. "Am Ende trifft das erst recht wieder die Kinder und vergrößert das Problem nur", meinte Ludwig. Vielmehr müsse der Kontakt zu Eltern und Schüler intensiviert bzw. vor allem die Eltern verstärkt in die Pflicht genommen werden. Auch sollten sozial auffällige Schüler nicht von der Schule suspendiert, sondern im Gegenteil dazu verpflichtet werden, länger in der Schule zu bleiben, um sozialarbeiterische Unterstützung erhalten.
Gemeinsam mit dem Bund will Ludwig darüber hinaus einen neuen Verhaltenskodex erstellen, in dem Werte und Regeln des Zusammenlebens verankert werden - und nicht nur wie bisher formelle Regeln wie Pünktlichkeit oder Alkoholverbot in der Schule.
Konkret nannte der Bürgermeister etwa Punkte wie den wertschätzenden Umgang mit anderen, aber auch Disziplin und Leistung sowie auch Gleichberechtigung von Frauen und Männern und der respektvoller Umgang zwischen Lehrern und Schülern - was auch bei Meinungsverschiedenheiten gelte. Denn: "Radikalisierung oder Religion als Mittel der Politik, Gewalt und das Recht des Stärkeren haben in meiner Stadt nichts verloren", betonte Ludwig. Beim Verhaltenskodex ist Wien allerdings auf den Bund angewiesen und kann hier nur seine Unterstützung anbieten.
Außerdem will der Bürgermeister die Grundregeln der Demokratie in Form von Piktogrammen in den Schulen optisch dargestellt wissen - und zwar nach dem Vorbild der Hausordnung, die in jedem Gemeindebau im Stiegenhaus aufgehängt ist.
In Richtung Bundesregierung richtete Ludwig des Weiteren die Forderung nach einem zweiten verpflichteten Kindergartenjahr und einen verpflichtenden Ethikunterricht aus - und zwar zusätzlich zum Religionsunterricht. Einmal mehr kritisierten Ludwig und Czernohorszky in diesem Zusammenhang die Kürzungen des Bundes. Diese hätten zur Folge gehabt, dass es allein heuer 41 Sozialarbeiter und 300 Lehrer in Wien weniger gebe. "Ich strecke gerne die Hand aus, dass wir uns gemeinsam überlegen, wie wir verstärkende Ressourcen im Bereich der Sozialarbeit an Schulen umsetzen. Und bin bereit, darüber zu verhandeln, wie wir uns die Kosten teilen, um weiteres Personal zu bekommen", so Ludwig.
Dass die Stadt erst auf das Problem reagiert, nachdem es durch ein Buch öffentlich geworden ist, dagegen verwehrte sich Ludwig nachdrücklich: "Als ich Bürgermeister geworden bin, habe ich gesagt, dass ich überall dort hinschauen werde, wo es notwendig ist und Veränderungen einleiten werde. Und das hier ist so ein Thema." Abgesehen davon habe es schon vor dem Buch Lehrerinnen und Lehrer gegeben, die publizistisch an die Öffentlichkeit getreten sind. Des Weiteren hätten sich auch bereits viele Lehrerinnen und Lehrer in der Vergangenheit konstruktiv geäußert und viele der Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden mitkonzipiert, so Ludwig weiter. "Das ist also nicht ein Buch, das uns aufrüttelt, sondern ein Thema, das uns schon lange bewusst ist."
Wiesinger für Kontrolle islamischer Verbände
Die Buchautorin Susanne Wiesinger, die bereits am Mittwochabend einen Gesprächstermin mit dem Bildungsstadtrat hatte, begrüßte in einem Gespräch mit der Austria Presseagentur am Donnerstagnachmittag die angekündigte Hotline samt Soforthilfetrupp. Es müsse aber auch die Durchmischung der Schüler verbessert werden, sodass nicht nur Kinder und Jugendliche derselben Herkunft und sozialen Schicht das Klassenzimmer teilen, meinte sie. Außerdem sollten ihrer Meinung nach die konservativen islamischen Verbände stärker kontrolliert werden.
Die von Susanne Wiesinger beschriebenen Probleme im Schulalltag seien Folge von "sozialer plus ethnischer Problematik in Kombination mit dem Erstarken des konservativen Islam": "Das ist das, was die Kinder immer mehr von uns entfernt hat. Es ist ein Sich-Wehren gegen unsere Art zu leben."