Der US-Wahlkampf tobt, auch die Comic-Szene bleibt nicht verschont.
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Washington. Wenn in den USA Präsidentenwahlen anstehen, kann man sich dem Wahlkampf nur schwer entziehen. Monatelang dominieren parteiinterne Primaries, Town-Hall-Meetings und schließlich noch die Konfrontationen der Kandidaten. Ein weiteres US-spezifisches Phänomen: Sogar die Comic-Szene bleibt davon nicht verschont. In Sonderausgaben, auf Spezialcovern und in eigenen Miniserien werden alle Aspekte einer Wahl (und ihre Abgründe) dargestellt.
Dieser satirische Zugang hat Tradition. Nicht umsonst haben die heute bekannten Parteimaskottchen der Demokraten und Republikaner - der Esel und der Elefant - ihren Ursprung in politischen Karikaturen und Cartoons des 19. Jahrhunderts. Schnell griffen die populären Zeitungsstrips und die sich daraus entwickelnden Comichefte politische Themen auf. Der Siegeszug der Superhelden in den späten 1930ern begann auch damit, dass sie gegen politische Schurken wie Hitler und Stalin in den Krieg zogen.
Friedlicher und amüsanter näherte sich in den 1950ern etwa Walt Kelly der Politik. In seinem von sprechenden Tieren bewohnten Sumpf ließ er das Opossum Pogo gleich zweimal zum Präsidenten kandidieren und erinnerte mit dem Slogan "I go Pogo" an die populäre Kampagne von Präsident Eisenhower.
Aktuell kann man zwei Zugänge zu Politik in Comics beschreiben. Erstens gibt es Journalisten, die für ihre Themen das Medium Comic und die sequenzielle Bildsprache wählen. So hat der Cartoonist Ted Rall etwa über Bernie Sanders und später auch über Donald Trump Biografien in Form einer Graphic Novel verfasst, wobei seine Sympathien offensichtlich bei Senator Sanders liegen.
Am anderen Ende der politischen Präferenzen findet man Peter Schweizer, einen Journalisten aus dem konservativen Breitbart Network. Sein Buch "Clinton Cash" hat er zu einer Graphic Novel mit Zeichnungen des politisch gleichgesinnten Chuck Dixon umgearbeitet und erstürmte damit einen Spitzenplatz auf den Verkaufslisten.
Der zweite Zugang ist indirekter, dafür aber in der Regel unterhaltsamer. In Mainstream-Comics verbergen sich seit gut einem Jahr immer mehr politische Themen und Anspielungen. Ihre Hauptaufgabe ist es zwar immer noch, durch Action und Humor zu unterhalten, doch implizit wird ebenso Aufmerksamkeit für die anstehenden Wahlen geschaffen.
Marvel, zum Disney-Konzern gehörend, hat das Thema Wahlkampf etwa in seiner vierteiligen Miniserie "Vote Loki" aufgegriffen. Der aus der nordischen Götterwelt bekannte Loki schwankt zwischen seinen Rollen als Superschurke und charmanter Unruhestifter. Hier darf der Gott der Lügen und Intrigen das Politgeschehen durcheinanderbringen. Seine absolute Offenheit - "Als Präsident würde ich euch belügen und ihr würdet es lieben" - sorgt dafür, dass er in den Umfragen unaufhaltsam zulegt - und das ganz ohne Magie.
Verdächtige Haartolle
Ernstere Themen werden in der Captain-America-Serie abgehandelt. Der ursprüngliche Captain, Steve Rogers, hat mit hetzerischen Aussagen gegen Migration und Minderheiten zu tun und allein die Vorstellung, dass aus dem einstigen Superpatriot ein Rassist geworden sein könnte, ließ die Wogen innerhalb der Comicgemeinde schnell hochgehen. Das Universum des DC Verlages, Heimat von Superman und Wonder Woman, umfasst auch Fantasieorte wie Gotham oder Metropolis, die aktuellen US-Wahlen kommen dort nur indirekt vor. Trotzdem kann man sich kleine Seitenhiebe vor allem auf Donald Trump nicht verkneifen: Das neueste Mitglied des Suicide Squad, einer Verbrechertruppe für Himmelfahrtskommandos, ist die mörderische Tochter eines Immobilienmagnaten, der eine verdächtig bekannte Haartolle trägt. Und John Constantine, als Hellblazer der Spezialist für Geister und alles Mystisches, beschließt, seine alte Heimat England zu besuchen - nachdem ein rassistischer, gescheiterter Geschäftsmann, der Schönheitsbewerbe organisiert, sich im Weißen Haus breitmacht.
Davon abgesehen stehen in den Welten von DC überraschend viele Wahlen an. In der ersten Novemberwoche, und somit pünktlich zu echten Wahl, erscheint ein Heft, in dem Catwoman sich um Unstimmigkeiten bei der Bürgermeisterwahl in Gotham kümmern muss. Und sogar in Bedrock, der Heimat der Familie Feuerstein, wird zur Abstimmung gerufen, noch weiß man aber nicht, wem Fred und Barney ihre Stimmen geben könnten. Diese Zurückhaltung hat wohl auch mit einer älteren Heftserie von DC zu tun. Der Industrielle Lex Luthor, Supermans ewiger Gegenspieler, konnte hier 2001 schon einmal die Präsidentschaftswahl gewinnen. Heute erscheint das fast wie ein Menetekel auf Donald Trump, auch wenn sich beide bei der Wahl ihrer Frisur unterscheiden.
Die US-Comiclandschaft kennt aber noch unzählige weitere Herausgeber und viele rufen heuer zu den Urnen. Dynamite hat die Rechte zur Horrorparodie Army of Darkness. Im Election Special wird die Hauptfigur Ash gewarnt, dass unglaubliche Dunkelheit über die Welt kommen könnte, Dämonen hätten nämlich Besitz ergriffen von den Präsidentschaftskandidaten - worauf er sie prompt vor laufender Kamera erschießen und enthaupten darf und schlussendlich selbst Präsident wird! Und bei Valaints Überraschungshit Faith darf man kurz vor der Wahl sogar mit einem Auftritt von Hillary Clinton rechnen, die Favoritin hat es schon auf das Cover geschafft. Bei der Präsentation fand die Unterstützung aber nicht bei allen Fans anklang.
Egal wer nächster US-Präsident wird, der echte Politikstar in den Comicwelten bleibt aber Barack Obama. Kein Politiker konnte so oft in so vielen Serien auftreten. Die Parodie "Barack the Barbarian", in der er auf den Spuren Conans einen bösen Zauberer (Dick Cheney) und eine Kriegerin (Sarah Palin genregerecht in Metallbikini) besiegt, wird gerade als Sammelband wiederaufgelegt.