Anbau bleibt den Großen vorbehalten. | Nur wenige profitieren. | BuenosAires. (dpa) Südamerika befindet sich im Soja-Rausch und weist Rekorde bei Gewinnen ebenso wie bei der Umweltzerstörung auf. Selten zuvor sind globale Wechselwirkungen und Abhängigkeiten so drastisch zutage getreten, wie bei der derzeitigen Lebensmittelkrise. Wenn in China der Appetit auf Fleisch wächst und die Autofahrer in Deutschland Biosprit tanken möchten, dann klingeln in Argentinien die Kassen - während in Haiti oder Ägypten das hungernde Volk gegen steigende Lebensmittelpreise rebelliert.
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Perus Präsident Alan García wird vor allem wegen steigender Lebensmittelpreise immer unbeliebter und Boliviens erster Indio-Präsident Evo Morales will gleich den ganzen Kapitalismus als "Klimakiller" abschaffen. Er fordert Nahrungsmittel statt Treibstoff für Luxuslimousinen.
Die aber werden zunehmend in Südamerika gefahren. Nach einer Erhebung der Investmentbank Merrill Lynch stieg das Vermögen der Reichen im vergangenen Jahr auf dem Subkontinent weltweit am stärksten. Die meisten neuen Millionäre kommen aus Argentinien, Brasilien, Peru und Chile. Zugleich werde aber die Zahl der Armen auf dem Subkontinent wegen der immer teureren Lebensmittel bis Jahresende um etwa 10 Millionen auf insgesamt 200 Millionen anwachsen, schätzt die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik. 79 Millionen Lateinamerikaner werden sogar unter Hunger zu leiden haben.
Während der vergangenen zwölf Monate verdoppelten sich die Preise für Reis, Getreide, Mais und andere Ölfrüchte, betonte der Exekutivsekretär der lateinamerikanischen Wirtschaftskommission, José Luis Machinea. Einige Bauern hingegen freuen sich. "Vor fünf Jahren bekam ich für einen schlachtreifen Ochsen gerade mal 200 Dollar (125 Euro). Heute sind es mehr als 600 Dollar", erzählt Harry Bartel in der Mennoniten-Stadt Loma Plata im Norden Paraguays.
Wälder gerodet
"Dies ist eine dramatische Entwicklung für eine große Gruppe von Menschen", warnt hingegen Machinea. Die Staaten müssten dringend Programme zur Unterstützung der Ärmsten starten und vor allem auch ihre Lebensmittelproduktion ankurbeln.
Das aber ist schwierig, denn der Anbau von Sojabohnen und die Rinderzucht beanspruchen immer größere Flächen. Die Anbaufläche für Getreide und Ölsaaten in Argentinien ist nach Schätzungen des Beratungsunternehmens Prefinex 2007/08 um 5,4 Prozent auf 32,3 Millionen Hektar ausgeweitet worden.
Neben den Kleinbauern und den Armen kommt auch die Natur vielfach unter die Räder. Für den großflächigen Soja-Anbau, der wegen des teuren Maschinenparks überwiegend von großen Kapitalgesellschaften betrieben wird, werden vor allem im Norden Argentiniens sogenannte Trocken-Wälder gerodet, die sich bisher im Urzustand befanden.
In Brasilien werden zudem zu 90 Prozent gentechnisch veränderte Soja-Sorten angebaut und in Argentinien sind es sogar 98 Prozent. Der Pestizid-Einsatz ist hoch und die Böden werden schnell ausgelaugt.
Um die negativen Folgen in den Griff zu bekommen, arbeiten zurzeit in dem Verein "Round Table on Responsible Soy" (RTRS) Erzeuger, verarbeitende Betriebe, Großhändler sowie Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen wie der WWF an der Formulierung von Mindeststandards für die nachhaltige Nutzung von Soja zusammen. Voraussichtlich von kommendem Jahr an soll es dann ein Gütesiegel für nachhaltiges Soja geben, sagte RTRS-Präsident Christopher Wells von der ABN-Amro Bank in Brasilien in Buenos Aires.