Zweisprachige Einsatz-Zentralen. | Polizei-Kompetenz endet nicht mehr an den Staatsgrenzen. | Großaktionen ab sofort gemeinsam. | Wien/Nickelsdorf. Ungläubig starrt der rumänische Kleinbuslenker auf die beiden österreichischen Uniformierten, die ihn seit geraumer Zeit verfolgen und nun sogar anhalten - in Ungarn. Österreichische Beamte dürfen hier nicht kontrollieren, meint der Mann in gebrochenem Deutsch. Dürfen sie doch. Neue Abkommen mit den Nachbarstaaten Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien erlauben es Polizisten, Verdächtige bei Bedarf ganz offiziell auch über die Grenzen hinaus weiterzuverfolgen, anzuhalten und bis zum Eintreffen der jeweils zuständigen Kollegen festzuhalten - im Notfall gar mit Waffengewalt.
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"Es ist wirklich ein Quantensprung, weil wir damit den Banden, die unsere Kompetenzgrenzen stets gut auszunutzen wussten, endlich wirksam begegnen können", erzählt Einsatzleiter Franz Trimmal, der Ende vergangener Woche erstmals den gemeinsamen Nachteinsatz von 330 Polizisten aus Österreich, Ungarn und der Slowakei von Kittsee aus mitorganisierte.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: fast 7500 Fahndungsanfragen, elf Festnahmen, Aufgriff etlicher gerichtlich gesuchter Personen - und Sicherstellung mehrerer gestohlener Kfz plus geladener Beute. Eine zweite Aktion in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch brachte ähnliche Erfolge - selbst bei minus 18 Grad. "Derzeit haben wir das Überraschungsmoment noch bei uns, deshalb sind bis auf weiteres vier bis sechs solcher grenzüberschreitender Aktionen pro Monat geplant", sagt Michael Takacs aus dem Innenministerium (BMI).
Klarer Fokus der Aktionen ist die eskalierende Eigentumskriminalität, die spätestens seit Erweiterung der Schengen-Grenzen auch unsere direkten östlichen Nachbarn eingeholt hat. "Bei uns herrscht Alarmstimmung, aber in Deutschland werden fast doppelt, in Ungarn sogar dreimal so viele Autos gestohlen wie bei uns und quer durch Europa verschoben", betont Takacs. Aus diesem Grunde hätte sich ein gemeinsames Vorgehen gegen die international agierenden Banden nahezu aufgedrängt.
Amtswege beschleunigt
Als bilaterale Schaltstellen wurden an ehemaligen Grenzknoten wie Nickelsdorf (Österreich-Ungarn) oder Thörl-Maglern (Österreich-Ungarn-Slowenien) bisher drei "Kooperationszentren" eingerichtet, in denen Beamte aus den jeweils beteiligten Ländern Dienst tun. "Meist sind das Leute aus der Region, die beide Sprachen sprechen, nun buchstäblich Schreibtisch an Schreibtisch sitzen und so eine direkte Schnittstelle beider Behörden bilden", erklärt Takacs.
So würden Hinweise ohne bürokratische oder sprachliche Hürden weitergeleitet; der Amtsweg sei "fast schon schneller als innerhalb Österreichs", scherzt einer der burgenländischen Einsatzkräfte, der selbst nach vier Stunden im Freien bei minus 15 Grad noch nicht den Humor verloren hat. So habe eine Führerscheinanfrage nach Ungarn früher drei Tage gedauert, jetzt habe man noch am gleichen Vormittag die erwünschte Antwort.
Als besondere Innovation der neuen Strategien gelten "gemischte Streifen", bei denen - ähnlich den berühmten "Vier im Jeep" (aus den damals vier Besatzungsmächten) - Polizeibeamte verschiedener Nationalitäten in einem Auto Einsätze fahren. "Schon beim Beginn der Soko Ost im Sommer 2009 ging es vor allem darum, die Kompetenz-Grenzen hier in Österreich, auf Bezirksebene, abzuschaffen. Nun haben wir das auch auf Staaten-Ebene geschafft", so Trimmal.
Geplünderte Skihütten
Davor durfte man Verdächtige höchstens 15, davor gar nur 5 Kilometer auf anderes Staatsgebiet verfolgen; weitere Ermittlungen, etwa im Sarg-Entführungsfall Flick, mussten via Amtshilfeverfahren geführt werden. Wie sich der Offizier erinnert, "kam es nicht selten vor, dass uns einer beim Überfahren der Grenze die lange Nase gezeigt hat."
Kaum hat er ausgesprochen, wird ein aus Österreich kommender polnischer Kleinbus gestoppt. Neben mehreren Ski-Paaren, die sich allesamt als am Semmering gestohlen erweisen, findet sich eine Unzahl Hygieneartikel. Klopapierhalter, Seifenspender, Handtuchautomaten, Putzmittel. "Die haben scheinbar in Hotels, Gasthäusern und Hütten die Klos geplündert. Uns wundert nichts mehr. Gefladert wird alles, vom Altmetall bis zum Diamantring", schüttelt Trimmal den Kopf - und stoppt den nächsten Wagen.