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Solana als Pionier in Pristina

Von WZKorrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Hoher Besuch | In der EU haben sich drei Interessensgruppen gebildet. | Brüssel/Pristina. Die Welle der Anerkennungen des Kosovo als unabhängiger Staat rollt. Nach den ersten formellen Bestätigungen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und der Türkei stehen heute, Mittwoch, die Regierungsbeschlüsse in Deutschland und Österreich auf dem Programm.


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Um der kosovarischen Führung die Rückendeckung der EU zu versichern, stattete EU-Chefdiplomat Javier Solana Pristina am Mittwoch einen überraschenden Besuch ab. Das starke Engagement der Union sollte damit bekräftigt werden. Solana wurde von den beiden künftig höchsten EU-Vertretern im Kosovo begleitet. Wie berichtet sind das der niederländische Top-Diplomat Pieter Feith, dem als EU-Sonderbotschafter und Leiter des Internationalen Verwaltungsbüro IOC die politische Aufsicht obliegt, und der französische General Yves de Kermabon, dem die bis zu 2200 Polizisten, Staatsanwälte und Verwaltungsexperten der zivilen EU-Friedensmission Eulex unterstehen.

Gemeinsam mit 1000 vor Ort rekrutierten Partnern sollen sie ab Ende Juni helfen, die staatlichen Strukturen der seit 1999 unter UN-Verwaltung stehenden Region aufzubauen. Noch keinen endgültigen Zeitplan gibt es für den finalen Rückzug der Unmik, die Eulex und IOC eigentlich ablösen sollten.

Im Umgang mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo haben sich unterdessen grob drei Kategorien von EU-Mitgliedsstaaten herauskristallisiert:

Bei weitem die größte Gruppe von 18 Staaten will das neue europäische Land möglichst rasch anerkennen. Neben Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien - den Mitgliedern der Kosovo-Kontaktgruppe - gehören dazu Österreich, Irland, die drei baltischen Staaten, Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg, Malta, Polen, Schweden, Slowenien und Ungarn. Bis zur formellen Bestätigung der Republik Kosovo kann es bei einigen Ländern allerdings noch etwas dauern. So muss etwa in Slowenien das Parlament befasst werden. In Belgien werde für den Instanzenlauf durch die Regionalparlamente und das Föderale Parlament mit zwei bis drei Monaten Umsetzungsfrist gerechnet, hieß es. Und der Beschluss kann auch nur gefasst werden, wenn König Albert II. die Übergangsregierung des eigentlich letzten Juni abgewählten Premiers Guy Verhofstadt dazu ermächtigt. Überraschend für eine Anerkennung "binnen Wochen" hat sich auch das bisher stets skeptische Bulgarien ausgesprochen.

Eine weitere Gruppe von fünf Mitgliedsstaaten will den Kosovo vorerst nicht anerkennen und pocht vor allem auf die praktischen Erfahrungen der neuen Führung beim Schutz der serbischen Minderheit. Neben den traditionell skeptischen Ländern Griechenland und Slowakei haben sich auch die Niederlande, Portugal und Tschechien eine bisher nicht näher spezifizierte Bedenkzeit ausgebeten. Diplomaten rechneten jedoch damit, dass sämtliche der zaudernden Staaten in ein paar Monaten auf einen Anerkennungskurs einschwenken werden.

Eindeutig gegen eine Anerkennung des Kosovo sprechen sich Spanien, Rumänien und Zypern aus. Obwohl spanische und rumänische Spitzenpolitiker zuletzt die Unabhängigkeitserklärung aus Pristina als völkerrechtswidrig und daher nicht anzuerkennen bezeichnet haben, halten Experten die Aufgabe der harten Linie Madrids nach den Wahlen am 9. März für möglich. Auch Rumäniens Position sei nicht in Stein gemeißelt. Tatsächlich keine Bewegung wird dagegen bei Zypern geortet. Dort gebe es "handfeste inhaltliche Probleme." Denn die rasche Anerkennung des Kosovo durch Ankara scheint nicht ganz ohne Hintergedanken erfolgt zu sein.

So soll in der Türkei bereits an einer Kosovo-Lösung für die ausschließlich von ihr anerkannte Türkische Republik Nordzypern gefeilt werden. Scheitert auch ein neuer Anlauf für die einvernehmliche Wiedervereinigung der Insel, könnte wie beim Kosovo der Schluss gezogen werden, dass alle Versuche für eine Verhandlungslösung gescheitert seien, so die Logik. EU-Diplomaten widersprechen diesem Gedankenmodell heftig: Was den Kosovo einzigartig mache, sei, dass die internationale Gemeinschaft gezwungen worden sei, einzugreifen, um weitere ethnische Säuberungen zu verhindern. In Zypern handle es sich um eine militärisch herbeigeführte Okkupation, die von keinem Staat der Welt außer dem Aggressor akzeptiert werde. Seite 12