Kommunen und Energieprojekte profitieren vom neuen Crowdfunding-Gesetz.
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Wien. Eine Bio-Kläranlage finanziert von der Crowd, oder eine Photovoltaik-Anlage auf dem Schuldach, die den Dorfbewohnern gehört. Neben Start-ups und Unternehmensgründern könnten künftig auch Gemeinden vom neuen Crowdfunding-Gesetz profitieren. Die Regierungsparteien haben sich auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt, der in den kommenden Wochen in Begutachtung geht. "Jetzt haben Gemeinden die gleichen Rechte wie Start-ups", sagt Daniel Kosak, Sprecher des Gemeindebunds, zur "Wiener Zeitung". Früher habe man Gemeindeprojekte in Form von Genossenschaften oder über Firmenkonstruktionen abwickeln müssen und dabei wenig Rechtssicherheit gehabt.
Mit einem neuen Crowdfunding-Gesetz könnte sich das ändern, weil im aktuellen Entwurf auch Gemeinden explizit genannt sind. Das bedeutet, dass diese, genauso wie Unternehmen, Gelder, beispielsweise über Internetplattformen wie Kickstarter, für Gemeindeprojekte sammeln können.
Höhere Obergrenzenfür Investitionen
Künftig dürfen Anleger uneingeschränkt bis zu 5000 Euro jährlich in Projekte investieren. Wer mehr investieren möchte, muss einseitig bestätigen, dass das Investment nicht zwei Nettomonatsmieten oder zehn Prozent des Finanzvermögens übersteigt. Die volle Prospektpflicht soll erst ab einem Investitionsvolumen von fünf Millionen Euro greifen. Dafür soll es eine Prospektpflicht light ab 1,5 Millionen geben. Und: Die Emittenten, also jene, die das Geld bekommen, müssen ab 100.000 Euro ihre Anleger umfassend über das Projekt und etwaige Risiken informieren. Crowdinvesting-Plattformen können dafür nur noch mit einer Gewerbeberechtigung oder mit einer Konzession von der Finanzmarktaufsicht betrieben werden.
In der Start-up-Szene reagiert man vorsichtig positiv auf das neue Alternativfinanzierungsgesetz. Wer sich noch freut, sind die Gemeinden. In den vergangenen Jahren sind auch auf Gemeindeebene Bürgerbeteiligungsprojekte im Kommen. Die neue Crowdfunding-Regelung, die nun Kommunen einschließt, sei vor allem für kleine Energie-Projekte mit Bürgerbeteiligung interessant, sagt Kosak.
Ein Beispiel: Eine Kommune errichtet auf dem Dach der Schule eine Photovoltaik-Anlage. Anstatt diese aber über das Budget oder mit Hilfe großer Stromerzeuger zu finanzieren, beteiligen sich die Bürger in Form von Investitionen, die sie dann zurückbekommen. Die eigene Stromanlage könnte auch kleine Dividenden respektive Gewinne für die Anleger, in diesem Fall die Bürger, abwerfen.
Die neuen Möglichkeiten für Bürgerbeteiligungen, die das Crowdfunding-Gesetz bietet, sind laut Kosak nicht nur für kleinere, ideelle Projekte geeignet, sondern auch für Investments, bei denen die Anleger mit Dividenden rechnen können.
Mehr Autonomie für Gemeinden
Bisher war es üblich, dass kleinere Energieprojekte in Kooperation mit großen Stromerzeugern umgesetzt wurden. "Man brauchte sich zwar um nichts kümmern, aber man hat dann die Hand nicht darauf und es gehört einem nicht", meint Kosak. Nicht nur die Investments, sondern auch die Gewinne sind bei den Energieerzeugern geblieben.
Diese dürften nun mit den neuen Finanzierungsmodellen weniger Freude haben. "In ihrer Grundstruktur kann ein Energieerzeuger kein Interesse daran haben, dass jemand anderer als sie selbst Strom produzieren", sagt Kosak.
"Die Gemeinden sind unsere wichtigsten Kunden", sagt Stefan Zach, Sprecher des niederösterreichischen Energieversorgers EVN, zur "Wiener Zeitung". "Wir sind offen für neue Modelle. Es gibt sicher Gemeinden, die damit gut allein zurechtkommen. Andere, kleinere, werden weiterhin einen Partner brauchen."
In der Tat keimt in der Energiebranche gerade eine Diskussion über kleine Photovoltaik-Anlagenbetreiber auf. Einerseits werden diese Anlagen mit zirka 270 Euro pro installierte Gigawattstunde subventioniert. Anderseits sparen sich die Betreiber durch den selbst produzierten Strom Energiekosten, Abgaben und einen Teil der Netzentgelte. Nun fordern Netzbetreiber und Energieerzeuger, dass die Anlagenbetreiber stärker, also finanziell, in den Netzausbau und bei künftigen Tarifstrukturen eingebunden werden.
Crowdfunding ist auch in anderer Hinsicht interessant. In Zeiten knapper werdender Budgets und einer Steuerreform, wiewohl auch über den Finanzausgleich finanziert wird - immerhin bekommen die Gemeinden zirka ein Zehntel der Steuereinnahmen -, sind Crowdfunding und Bürgerbeteiligungen eine interessante Alternative, um kommunale Projekte auf die Beine zu stellen. Trotzdem warnt Kosak vom Gemeindebund davor, grundlegende Strukturprojekte über Crowdfunding zu finanzieren. "Dafür sind die Volumina zu gering, das geht eher im Kleinen."