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Soldaten als Justizwächter -Kein Notstand in Sicht

Von Alfred J. Noll

Politik

Justizministerin Karin Miklautsch hat den Wunsch geäußert, Soldaten in den Gefängnissen einzusetzen und so die Personalknappheit zu beheben. Verfassungsrechtler Heinz Mayer hat ihr bestätigt, dass das verfassungsrechtlich in Ordnung wäre. Ablehnung kam allerdings vom zuständigen Ressortchef, Verteidigungsminister Günther Platter.


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Der von Justizministerin Karin Miklautsch jüngst geäußerte Wunsch um Bundesheer-Assistenz für den Strafvollzug scheint verständlich. Die Haftzahlen steigen, man hat den Bau neuer Gefängnisse in Aussicht genommen - und das alles unter dem Diktat knapper Kassen. Für die Anstellung neuer Justizwachebeamten bleibt da nichts. Da mag es nahe liegen, vermeintlich brach liegende Personalressourcen zu aktivieren - das Bundesheer soll im Strafvollzug zum Einsatz kommen.

Was auf den ersten Blick als nur allzu verständlicher Diskussionsbeitrag erscheinen mag, ist bei näherem Hinsehen ein formidabler Skandal, auch wenn die durchaus berechtigte Erregung bisher noch ausgeblieben ist und die Sache mit dem pragmatisch argumentierten "Njet!" des Verteidigungsministers sein vorläufiges Bewenden gefunden haben dürfte.

Im demokratischen Rechtsstaat fällt der erste Blick aufs einschlägige Verfassungsmaterial. Wer dort zu suchen beginnt, wird bei Art. 79 Abs. 2 B-VG rasch fündig: Das Bundesheer ist demnach, soweit Zivilbehörden seine Mitwirkung beanspruchen, auch "zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt" bestimmt. Nun versteht es sich durchaus von selbst, dass es in normalen Zeiten Sache der Polizei ist, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen.

Nur im Notfall soll das Bundesheer, quasi als staatsschützerische Reserve auch der zivilen Macht zu Verfügung stehen. Die Assistenz durch das Bundesheer ist ultima ratio im Rechtsstaat. Im Normalfall hat das Bundesheer im zivilen Leben der Republik Österreich nichts zu suchen - ihm obliegt die militärische Landesverteidigung. Und wenn der VfGH immerhin den "Grenzeinsatz" unseres Bundesheers abgesegnet hat, dann steht das damit nicht in Widerspruch: Der Verfassungsgesetzgeber hat eben alle Behörden und Organe des Bundes innerhalb ihres Wirkungsbereiches zur unmittelbaren Inanspruchnahme des Bundesheeres ermächtigt, aber nur sofern sie die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren nicht ohne Mitwirkung des Bundesheeres zu gewährleisten vermögen.

Ganz richtig schreibt Heinz Mayer deshalb in seinem Kommentar zum B-VG davon, dass die faktischen Möglichkeiten, die das Bundesheer durch seine Organisation und Bewaffnung hat, von den Zivilbehörden also nur dann (und ausschließlich dann) genützt werden dürfen, wenn - so Heinz Mayer - "bestimmte Rechtsgüter von innen bedroht sind". Die Verfassung selbst gibt uns einen Hinweis darauf, welche Aufgabenstellungen hier einschlägig sind: der Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit etwa oder die demokratischen Freiheiten der Einwohner (Art. 79 Abs. 2 Z. 1 lit. A B-VG). Solange das zivile Leben seinen Gang geht, eine wie immer geartete Bedrohung der "Normalität" ganz und gar nicht in Sichtweite ist, solange eben ist auch keine relevante "Bedrohung" auszumachen, die den Einsatz des Bundesheers rechtfertigen würde.

Man wird kaum ernsthaft behaupten können, dass das für die Überwachung unserer Häftlinge zu knapp gewordene Budget schon einen derartigen Notstand herbeigeführt hätte. Es ist weit und breit nichts davon zu sehen, dass hier ein "bestimmtes Rechtsgut von innen bedroht" wäre - allenfalls können wir uns über die mangelnden Managementqualitäten des Justizressorts unterhalten.

Wollte unsere neue Justizministerin tatsächlich verlautbaren, dass sie ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung, den Strafvollzug zu besorgen, ohne Mitwirkung des Bundesheeres nicht zu entsprechen vermag? Und wollte sie uns sagen, dass wir - wie sonst nur nach einem geglückten Militärputsch - auch in Österreich nun Soldaten brauchen, um unsere Gefangenen zu bewachen?

Alfred J. Noll ist Rechtsanwalt in Wien und Universitätsdozent für Öffentliches Recht und Rechtslehre