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Soldatenmütter gründen Partei

Von Alexander Schrepfer-Proskourjakov

Politik

Eine politische Lösung für den blutigen Tschetschenien-Konflikt ist immer noch nicht in Sicht. Eine der renommiertesten russischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), das Komitee der Soldatenmütter Moskau, die sich seit Jahren für Frieden im Nordkaukasus einsetzt, gründet nun eine eigene Partei.


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Die Vereinigung der russischen Soldatenmütter-Komitees hat in Moskau am 6. November eine eigene politische Partei gegründet. Den Gründungsparteitag haben die Vertreterinnen der Bewegung aus sechzig Regionen Russlands eröffnet. Zur ersten Vorsitzenden der neuen "Vereinigten Volkspartei der Soldatenmütter" wurde die langjährige Vorstand-Aktivistin Walentina Melnikowa gewählt.

"Russische Politiker sind nicht imstande, das Tschetschenien-Problem zu lösen. Außerdem gibt es in Russland keine politische Partei, die sich effizient für die Interessen der Wehrpflichtigen und deren Angehörigen einsetzt", sagte Melnikowa gegenüber der russischen Online-Nachrichtenagentur www.lenta.ru.

Und so gehen die Soldatenmütter selbst in die Politik. Die wichtigsten Ziele der neu gegründeten Partei sind die Beendigung des Tschetschenien-Kriegs und die Abschaffung der Wehrpflicht in Russland. Darüber hinaus haben die Soldatenmütter den Schutz sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten zu ihrem weiteren Ziel erklärt. Die Parteiarbeit werde vor allem durch Spenden von Unternehmern aus den russischen Regionen finanziert, erklärte Melnikowa. In drei Jahren wollen die Soldatenmütter in der russischen Staatsduma vertreten sein.

Die Komitees der Soldatenmütter entstanden noch in der Sowjetunion 1989 als Interessenvertretung von Wehrpflichtigen, Rekruten und ihren Familienangehörigen. Heute verfügt die Organisation über 300 regionale Niederlassungen und gilt als eine der einflussreichsten russischen NGOs.

Verhandlungen mit Rebellen

Bereits vor dem Gründungsparteitag verfasste der Vorstand des Komitees der Soldatenmütter eine Ansprache an die tschetschenischen Warlords mit dem Vorschlag, einen eigenen Verhandlungsprozess zu starten, und schickte diese an alle russischen Nachrichtenagenturen. Kurz danach meldete sich der offizielle Vertreter der tschetschenischen Untergrundregierung in London, Achmed Zakajew, per Telefon im Moskauer Büro des Komitees der Soldatenmütter und kündigte seine Bereitschaft an, mit den Soldatenmüttern zu verhandeln. Ein Treffen soll im November in einer westeuropäischen Hauptstadt stattfinden.

Wütende Reaktion im Kreml

Die Verhandlungen mit den Rebellen sind in den Augen des Kremls ein Kapitaldelikt. Und so initiierte kurz darauf der Abgeordnete des russischen Unterhauses von der nationalistischen Fraktion "Rodina" ("Heimat"), Wiktor Alksnis, eine parlamentarische Interpellation an die Generalstaatsanwaltschaft mit der Forderung, das Komitee der Soldatenmütter unter die Lupe zu nehmen. "Die Tätigkeit dieser Organisation", schrieb Alksnis, "widerspricht den nationalen Interessen Russlands. Die Soldatenmütter unterminieren vorsätzlich im politischen Auftrag des Westens die Wehrkraft des Landes". Der eifrige Politiker beschuldigte außerdem die Soldatenmütter, die scheinbar aus dem Ausland mit 15 Mio. US-Dollar bezahlt seien, der Beihilfe zur Dienstverweigerung und Desertion. Dabei ist es allgemein bekannt, dass die Soldatenmütter ausschließlich von Spenden leben.