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Solidarbeitrag Wertschöpfungsabgabe

Von Manfred Bauer

Gastkommentare

Ein "individuelles Pensionskonto" als "Reformmodell" anzupreisen, folgt dem hinlänglich bekannten Muster, Reform zu suggerieren, wo Leistungskürzung gemeint ist.


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Im Interview mit der 'Wiener Zeitung' (7. April 2011) fordert die Bundesvorsitzende der Jungen Industrie, Therese Mitterbauer, die Installierung eines "individuellen Pensionskontos". Demnach würde künftig als Pension nur ausbezahlt, was im Laufe eines Berufslebens an Beiträgen eingezahlt wurde.

Mitterbauer räumt selbst ein, dass dadurch die Pensionen der Zukunft noch niedriger wären, als dies oft bereits heute der Fall ist. Für die Differenz auf den Ausgleichszulagenrichtsatz solle der Staat aufkommen.

Dieses "individuelle Pensionskonto" als "Reformmodell" anzupreisen, folgt dem hinlänglich bekannten Muster, Reform zu suggerieren, wo Leistungskürzung gemeint ist. Denn die "Nachhaltigkeit" des Modells zielt nicht nur auf eine Senkung des Pensionsniveaus ab, sondern auch auf eine Verlängerung der Arbeitszeit; nur wer länger arbeitet, erreicht auch ein höheres Beitragsvolumen.

Gerade in der heutigen marktradikalen Welt, mit steigender Arbeitslosigkeit, prekären Beschäftigungsverhältnissen und damit verbundenen Armutsrisiken scheint mir die Orientierung an neoliberalen Instrumenten mindestens so überholt wie die gesamte Finanzierungsarchitektur unseres Sozialsystems, das in der arbeitsintensiven Gesellschaft des 19. Jahrhunderts entstand.

Wie wäre es zum Beispiel mit einer Wertschöpfungsabgabe zur nachhaltigen Sicherung des Krankenversicherungs- und des Pensionssystems? Diese Idee ist zwar nicht neu, realisiert wurde sie aber bisher noch nicht. Eine solche Abgabe scheint jedoch selbst für Arbeitgeber kein horribile dictu mehr zu sein:

Bereits 1998 fand sie die Zustimmung des ÖVP-Arbeitnehmerflügels ÖAAB. Sie sei zwar ein Tabubruch, stellte der damalige ÖAAB-Generalsekretär Walter Tancsits fest, dennoch richtete er den Appell an Sozialpartner und Regierung, "sie auszuprobieren".

1999 befasste sich dann unter der damaligen SPÖ-ÖVP-Koalition die aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertretern gebildete Kommission "Lohnabhängige Abgaben" tatsächlich mit der Implementierung einer Abgabe auf die betriebliche Wertschöpfung. Die Verwirklichung eines sozialpartnerschaftlich akkordierten Abgabemodells scheiterte letztlich am Widerstand von Kanzler Viktor Klima, der offenbar fürchtete, deswegen die Wahl zu verlieren; was aber auch so passierte.

2004 konnte sich der damalige WKO-Generalsekretär und heutige Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner die Einhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Mieten und Pachten als ersten Schritt zu einer Wertschöpfungsabgabe vorstellen. 2008 forderte Ärztekammer-Präsident Walter Dorner eine Abgabe auf Erträge aus Mieten, Pachten und Wertpapieren zur Finanzierung von Krankenkassen, Pflegeaufwand und Pensionen.

Eine solche Verbreiterung der Beitragsgrundlage zur Sozialversicherung über die Bruttolohn- und Gehaltssumme hinaus ergäbe nicht nur ein authentischeres Abbild der tatsächlichen ökonomischen Leistung der Unternehmen sowie des gesamten Staates, sie lieferte auch einen gleichermaßen notwendigen wie maßgeblichen Beitrag zu einem solidarisch und nachhaltig finanzierten Sozialstaat.

Manfred Bauer war SPÖ-Stadt- und Gemeinderat in Purkersdorf.

Die Tribüne gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.