Zum Hauptinhalt springen

Solidarität am Arbeitsmarkt

Von Sissi Eigruber

Europaarchiv

Arbeitsmarktexperten aus Österreich und Ungarn sind in den letzten drei Tagen zum 10. Mal im ungarischen Szombathely zur Österreichisch-Ungarischen Arbeitskonferenz zusammengetroffen. Im Zentrum der Diskussion stand das Thema "Solidarität in einer erweiterten EU", das bei den Konferenzteilnehmern die Wogen hoch gehen ließ.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die neuen EU-Länder würden zurecht europäische Solidarität einfordern und damit auch den freien Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt, meinte etwa der Vorstandsvorsitzender des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) Herbert Buchinger, um dann zu ergänzen: "Allerdings verhalten sich manche dieser Länder selbst unsolidarisch". So hätten die neuen EU-Staaten beim Wettlauf um Investitionen ohnehin die Nase vorne und bräuchten den Wettbewerb nicht auch noch durch niedrige Steuersätze verschärfen, so Buchinger zum Thema Flat Tax.

Heftige Kritik übte Buchinger auch an dem System der EU-Regionalförderungen, die seiner Meinung nach falsch konzipiert seien: "Die Mittel sind ein Tropfen auf den heißen Stein, der sich mehr oder weniger in Bürokratie erschöpft". Jedes Land zahle Geld an die EU, das es dann für die eigenen Regionen wieder zurückbekommt - das ginge auch einfacher.

"15 Millionen Menschen sind in der EU ohne Arbeit", verdeutlichte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch, die schlechte Arbeitsmarktlage in Europa. Er ortet eine "schleichende Gefahr der wachsenden Armut durch Arbeitslosigkeit und fordert, dass die EU dem in der Lissabon-Strategie festgehaltenen Ziel der Vollbeschäftigung ebenso viel Bedeutung zumisst, wie den Stabilitätskriterien. Er schlägt vor eine maximale Höhe der Arbeitslosenrate als zusätzliches Kriterium zu verankern.

Ungarn hat trotz der im EU-Vergleich relativ niedrigen Arbeitslosenrate von 5,9% mit Problemen zu kämpfen: Die Beschäftigungsquote ist insbesondere bei älteren Arbeitnehmern gering, die Jugendarbeitslosigkeit steigt, die regionalen Unterschieden am Arbeitsmarkt sind groß und viele Unternehmen, wie z. B. IBM oder Philips wandern mit ihren Produktionen weiter in noch östlicher gelegene Billiglohnländer.

Die Übergangsfristen für Arbeitnehmer aus neuen EU-Ländern am Arbeitsmarkt der alten EU werden Österreich übel genommen: "Ich finde es inakzeptabel, dass diese in der EU definierte Grundfreiheit eingeschränkt wurde", so der ungarische Gewerkschaftsvertreter Tamás Wittich.

AMS-Chef Buchinger hingegen meint, dass die Übergangsfristen über die maximal mögliche Zeitspanne genutzt werden sollten: "Sieben Jahre ist denkbar kurz. Die brauchen wir auf alle Fälle." Sonst würden 150.000 Arbeitskräfte aus Ungarn nach Österreich kommen. Die ungarischen Schätzungen belaufen sich hingegen nur auf ein paar tausend Personen, erklärt ein Mitarbeiter des ungarischen Arbeitsamtes.