Selten war eine Nationalratssitzung von so viel Einigkeit geprägt wie gestern. Der Beginn der parlamentarischen Herbstarbeit stand im Zeichen der Attentate in den Vereinigten Staaten; deren Folgen und mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrors bildeten den Kernpunkt der Debatten. Trotz prinzipieller Übereinstimmung konnten sich nicht alle vier Parteien zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag durchringen.
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Soviel Harmonie ist ungewohnt: In der ersten Plenarsitzung des Nationalrats war von Kampfeslust keine Spur. Vielmehr streuten sich die Koalitions- und Oppositionsparteien gegenseitig Rosen: Nach den Terroranschlägen in den USA haben Krisenmanagement und Zusammenarbeit gut funktioniert, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel habe alle Parteien ausführlich informiert und in Pläne bezüglich der weiteren Vorgangsweise eingebunden.
Solidarität mit den USA
Was letztere anbelangt, herrschte prinzipiell Konsens. So bleibe etwa die Solidarität mit den USA ungeteilt; auch an der Überzeugung, dass dem Terror entgegenzutreten sei, scheiden sich die Geister nicht. So konnten sich alle den Worten des Nationalratspräsidenten Heinz Fischer anschließen, der nach einer Trauerminute für verstorbene Abgeordnete und Terroropfer dem Kongress der Vereinigten Staaten und dem amerikanischen Volk die Anteilnahme des Hohen Hauses zum Ausdruck brachte.
"Für Sicherheit und Frieden - Gegen die Netzwerke des Terrors" hatte die Regierung dann auch zum Thema gewählt. Bundeskanzler Schüssel präsentierte eine Aktionsplan, dessen Punkte Maßnahmen zur Sicherheit auf Flughäfen ebenso umfassen wie außenpolitische Bemühungen. Die Zusicherung der Unterstützung Österreichs im Kampf gegen den Terror nimmt darin ebenfalls einen wesentlichen Platz ein.
Wenn es nun darum gehe, zwischen Tätern und Opfern zu entscheiden, "haben wir immer auf Seiten der Opfer zu stehen", betonte Schüssel. Das Gleiche gelte, wenn zwischen Terror und friedlichen Bemühungen zu wählen sei.
Ähnlich wie anschließend Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer warnte der Bundeskanzler davor, Anti-Amerikanismus aufkommen zu lassen. Beide unterstrichen das Engagement der Vereinigten Staaten beim Aufbau der Nachkriegsordnung in Westeuropa oder am Balkan. Nun sei die Solidarität Europas gefragt. "Im Netzwerk des Terrors sind keine Inseln der Seligen vorgesehen", fügte Riess-Passer hinzu.
An die Wurzeln des Terrorismus zu reichen, mahnte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer ein. Langfristige Strategien zu Konfliktlösungen seien notwendig, beispielsweise im Nahen Osten. Dort könnte - analog zu den Aktivitäten der USA in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg - ein Marshall-Plan oder in dem Fall ein "Powell-Plan" zum Greifen kommen.
Eine zentrale Botschaft Gusenbauers fand sich auch bereits in der Rede Riess-Passers: Der Kampf gegen den Terrorismus dürfe nicht die bürgerlichen Rechte beeinträchtigen. Eine Balance sei zu finden, war daher die Überzeugung.
Appell an die Grünen
Moderat fielen auch die Wortmeldungen der Klubobleute Andreas Khol und Peter Westenthaler aus. Nach einem Lob für die bisherige Zusammenarbeit zwischen den Parteien folgte ein Appell an die Grünen: Sie mögen sich dem Entschließungsantrag anschließen, den ÖVP und FPÖ gemeinsam mit der SPÖ einbringen. Er habe "Solidarität mit den USA" ebenso zum Inhalt wie unterstützende Maßnahmen Österreichs.
Doch in diesem Punkt wollen die Grünen, die sich weiterhin gegen Überflugsgenehmigungen wenden, nicht nachgeben: Sie brachten einen eigenen Antrag ein. Eine Beteiligung an Kriegshandlungen widerspräche der österreichischen Neutralität und werde vom Nationalrat abgelehnt, heißt es da. Bundessprecher Alexander Van der Bellen verwies auf die Rechtslage und forderte abermals eine konkretere UNO-Resolution. "Wir nehmen die Neutralität sehr ernst", begründete er.
Auf eine andere Problematik wies SPÖ-Klubobmann Josef Cap hin: die Sicherheit von Atomkraftwerken. Diese sei nun mal nicht gegeben, und dass AKWs zum Objekt von Angriffen werden könnten, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Daher sei ein Weg aus der Atomenergie zu suchen.
Sicherheitsrat hintan
Ein Thema rückte bei der Debatte in den Hintergrund. Die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats sorgte in der gestrigen Sitzung kaum für Differenzen. "Wir sichern Ihnen eine offene und faire Diskussion zu", meinte ÖVP-Klubobmann Khol Richtung Opposition. SPÖ und Grüne bezeugten daraufhin ebenfalls Gesprächsbereitschaft. "Wir werden über den Sicherheitsrat wahrscheinlich Einigung erzielen, wenn sich jeder ein wenig bewegt", versicherte Alexander Van der Bellen.