Die Drei-Sterne-Hotels kämpfen ums Überleben: Mit den Low-Budget-Hotels wächst eine starke Konkurrenz für sie heran.
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Wien. Zerschlissene Bettwäsche, abgestoßene Möbel und verstopfte Duschabflüsse waren einmal. Der moderne Billigtourist schätzt Komfort der gehobenen Mitte. Das Low-Budget-Konzept kam da gerade recht, um eine Marktlücke zu füllen. Seit dem Aufkommen der ersten Low-Budget-Hotels vor etwa acht Jahren - das erste in Österreich öffnete 2011 - boomt der Sektor enorm. Der Hotelverband Deutschland bezeichnet diese Art von Hotels als "den Zukunftsmarkt der Beherbergungsbetriebe". Laut Wirtschaftskammer Österreich (WKO) liegt die Auslastung bei 90 Prozent. Die großen Verlierer sind die Drei-Sterne-Hotels. Mit den Billighotels, die dennoch Design bieten, weil sie bei Zimmergröße und Personal sparen, wächst ein starker Konkurrent für sie heran. Allein in den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der Nächtigungen im Drei-Sterne-Sektor laut Statistik Austria um rund zehn Prozent gesunken. Noch sind die Billigvarianten ein Phänomen der Städte - die ersten Hotels haben aber auch schon das Land erobert.
Konkrete Gäste- oder Nächtigungszahlen für Low-Budget-Hotels gibt es laut Österreichischer Hoteliervereinigung (ÖHV) und WKO nicht. Aus dem einfachen Grund, dass sie nicht mit Sternen klassifiziert und daher nicht kategorisierbar sind. "Man könnte auch nur schwer Sterne vergeben, weil sie sich an keiner offensichtlichen Tendenz festmachen lassen", sagt dazu Martin Stanits von der ÖHV im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Denn einerseits wäre es unklug, sich mit Sternen zu schmücken, wenn man sich als günstige Marke positionieren möchte. Andererseits gehe der unterdurchschnittliche Preis keineswegs mit geringer Qualität einher, was ein oder zwei Hotelsternen vermitteln würden.
Gleichzeitig mit dem Low-Budget-Konzept boomen auch Vier- und Fünf-Sterne-Hotels. Stanits spricht von einer Vervielfachung der Nächtigungen. Durch das Billigkonzept "kommt also klar die Mitte unter Druck", ergänzt Matthias Koch vom Fachverband Hotellerie in der WKO. Die Drei-Sterne-Hotels also, die nun unter enormem Aufwand in Marketing investieren müssen, um ihre Zielgruppe weiterhin anzusprechen. Sie kämpfen ums Überleben, denn deren Konkurrent hat die Hotel-Landschaft gehörig in Bewegung gebracht.
"Ein Stoß direkt in die Mitte"
"Es war ein Stoß direkt in die Mitte hinein", sagt auch der Zukunfts- und Trendforscher Andreas Reiter. Ausweichmöglichkeiten gebe es nur noch "hinunter oder hinauf". Dazwischen greife "dieses intelligente Modell, in dem sich jeder wiederfindet", zunehmend und erbarmungslos Platz.
Es sind vor allem Geschäftsreisende, die die Low-Budget-Hotels vom höherpreisigen Drei-Sterne-Sektor abgezogen haben. Ein Gast bleibt im Schnitt ein bis zwei Nächte. Doch auch Familien und vor allem junge Menschen checken laut WKO zunehmend ein.
Wer einmal in einem Low-Budget-Hotel absteigt, muss das aber nicht notorisch tun. "Für kurze Städtetrips wollen viele einfach nur günstig nächtigen. Ein anderes Mal gönnen sie sich aber sehr wohl ein luxuriöses Hotelerlebnis", so Koch. Denn wer günstig nächtigt, muss nicht unbedingt wenig Geld haben. "Manche gehen dafür teuer einkaufen oder nobel essen."
Noch beschränkt sich das Phänomen auf die Städte - aber vielleicht nicht mehr lange. Reiter sieht das Potenzial nämlich noch lange nicht ausgeschöpft. "Ich sehe enorme Zukunftschancen in Feriendestinationen und Hotspots wie Skigebieten", sagt er zur "Wiener Zeitung". Dort brauche es "dieses junge Element".
Die ersten Schritte hinaus aus den Städten wurden bereits getan. Die österreichische Low-Budget-Hotel-und-Motel-Kooperation Fair Sleep hat in den vergangenen vier Jahren 15 Hotels unter anderem in Gmünd im Waldviertel und Wilfersdorf im Weinviertel errichtet. Im Unterschied zu den Städtehotels mit bis zu 400 Zimmern bietet das "Fair Sleep"-Modell durchschnittlich 30 Zimmer. Die Hauptzielgruppe ist laut Andreas Weber, einer der drei Kooperationsmanager, jung, männlich und berufstätig. Eine Nacht mit Frühstück kostet je nach Standort zwischen 34 und 69 Euro. Bis 2020 will man insgesamt 50 Standorte - auch in Deutschland - eröffnet haben.
Bei Low-Budget geht es allerdings noch billiger. Wombat’s etwa bietet Durchschnittpreise von 20 Euro, die malaysische Kette Tune Hotels von 21 Euro an. Auch A&O mit Sitz in Deutschland, Ibis und Etap sind in Österreich mit Low-Budget-Hotels vertreten. Den Anfang hatte Motel One gemacht: Gemeinsam mit der Verkehrsbüro Group, Partner bei den österreichischen Standorten, hat die deutsche Kette im Mai 2011 das erste Billighotel in Salzburg eröffnet. Mittlerweile gibt es ein zweites am Wiener Westbahnhof, weitere werden in der Wiener Innenstadt sowie am Hauptbahnhof eröffnen.
Billig durch Bausteinprinzip
Das Konzept des "genetischen Urmodells Motel One", wie Reiter es nennt, ist denkbar einfach. Es ähnelt dem Billigflieger-Modell: ein Bausteinprinzip, bei dem zum Beispiel Frühstück, Fön, Klimaanlage, Handtücher und Bettwäsche extra verrechnet werden. Bei Fair Sleep etwa gibt es auch ein "Automatenfrühstück". Die Zimmer sind durch Hängeschränke so gestaltet, dass Reinigungskräfte den Boden um vieles schneller als sonst wischen können. Zudem sind die Zimmer sehr klein. Oft sind sie nicht mehr als 16 Quadratmeter groß. Die Grundausstattung ist zwar immer die gleiche, aber solide und gut designt.
Das alles spart Ressourcen und Personal. Es ist die "McDonaldisierung der Gesellschaft", wie sie der US-amerikanische Professor der Soziologie George Ritzer schon vor 20 Jahren in seinem gleichnamigen Buch ankündigte, die nun offenbar die Hotellerie erreicht hat. Ritzer meint damit die Veränderung von traditionellen hin zu rationalen Gedankenmodellen - ein Prozess, in dem die Gesellschaft zunehmend die Charakteristika eines Fastfood-Restaurants übernehme.