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Soll der Terror-Lastwagen von Berlin ins Museum?

Von WZ-Korrespondent Roland Mischke

Politik

Fanatiker tötete mit ihm zwölf Menschen. Jetzt ist eine Diskussion um das Mordinstrument entbrannt.


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Berlin. (ce) Das Glas der breiten Frontscheibe vor der Fahrerkabine des Lastwagens der polnischen Speditionsfirma Ariel Zurawski uslugi transportowe ist zerbröselt. Auf der rechten Seite hängen noch Plastik-Weihnachtsbaumäste und Bretterstangen mit Lichtkerzen an Strängen aus den Verkaufsbuden heraus, über die das Gefährt gewalzt ist. Die Motorhaube ist an mehreren Stellen verbeult. Die Karosserie wurde heftig geschrammt, aber den massiven Reifen, die so viele Passanten überrollten und einige von ihnen zu Tode schleiften, ist das Massaker nicht anzusehen.

Der 20 Meter lange Wagen mit einer Motorleistung von 450 PS und 40 Tonnen Eigengewicht war weltweit in den Medien zu sehen. In ihm fand die Polizei nach der Tat die Leiche eines Mannes, des aus Stettin stammenden Fahrers des Lastwagens, der vermutlich kurz vor der Tat erschossen worden war.

Nun wird überlegt, was mit dem Lastwagen von dem Anschlag in Berlin angestellt wird. In Bonn, im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, in der historisch bedeutsame Exponate aufbewahrt werden, wurde darüber nachgedacht, den Todes-Lastwagen in die Dauerausstellung zu nehmen.

Dort sind bereits einige Terrorobjekte zu besichtigen, so ein Schussgerät der Roten Armee Fraktion, eine Nagelbombe der Neonazi-Zelle Nationalsozialistischer Untergrund und Teile aus den New Yorker Twin Towers nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001.

"Thema von gesellschaftlicher Relevanz"

Weil es sofort Proteste gab, hält sich die Museumsführung erst mal zurück. Der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, Hans Walter Hütter, sagte: "Es ist noch zu früh, um darauf eine abschließende Antwort geben zu können." Zudem sei das Objekt
zu groß, allenfalls ein bestimmtes Teil - vielleicht die zerfetzte Frontscheibe - würde in die Sammlung passen. Schließlich stehe dahinter "ein Thema von
gesellschaftlicher Relevanz", das "zu unserer Geschichte gehört, ob wir das wollen oder nicht", so Hütter.

Rechtliche Fragen müssen geklärt werden. Was könnte es denn bedeuten, würde das Terror-Gefährt musealisiert? Hat das mit Authentizität zu tun? Zieht die Obszönität mehr Besucher an? Würde es nicht zu einer Heldenverehrung des Täters führen?

Andererseits werden Schulklassen und Touristen in die Krematorien des KZ Buchenwald geführt, in Los Angeles hat man eine Gaskammer aus der Nazi-Zeit maßstabsgetreu nachgebaut. Menschen betrachten gern, was gruslig ist. Dabei müssten erst einmal die rechtlichen Voraussetzungen geklärt werden. Das Wrack gehört nach wie vor dem polnischen Spediteur, einem Verwandten des toten Fahrers. Er könnte ihn als Dauerleihgabe nach Bonn geben, aber wäre das im Sinne seines getöteten Cousins und dessen Familienangehörigen?

Es ist nicht leicht zu entscheiden, was mit dem Lastwagen gemacht werden soll. Aus Bonn heißt es, es käme ganz und gar auf den Kontext an, in den das Wrack platziert würde. Man darf gespannt sein, wie die Entscheidung ausfallen wird. So oder so, beides wäre falsch. Oder doch richtig?