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Soll EU-Präsident künftig gewählt werden?

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Mit dem von EU-Ratspräsident Berlusconi ausgelösten Eklat vor den europäischen Volksvertretern scheint der Damm gebrochen und die Idee von einem hauptamtlichen Vorsitzenden der Union realisierbarer als je zuvor.


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Die EU-weite mediale Entrüstung über Berlusconis jüngste Attacken ist groß, der Eindruck nicht nur vor der bevorstehenden Erweiterung verheerend. Wenngleich im EU-Vorsitzland die TV-Sender - darunter auch der staatliche RAI - den Premier in einem möglichst guten Licht erscheinen ließen, übten die Tageszeitungen deutliche Kritik. "Berlusconi ist gegen den europäischen Felsen geprallt", meinte "la Repubblica". Die EU-Präsidentschaft sei gleich zu Beginn verspielt worden; diese hätte "nicht schlimmer beginnen können", so auch der "Corriere della Sera". Während man sich auf diplomatischer Ebene um Schadensbegrenzung bemüht, fühlt sich Berlusconi erneut verfolgt: Zwar nicht vor den gewählten europäischen Volksvertretern, aber am Rande eines Wirtschaftsseminars in Rom mutmaßt er am Tag nach seiner Attacke, dass die italienische Linke hinter den Attacken des SPD-EU-Abg. Schulz stecke.

Die EU wird freilich vorerst mit Berlusconi leben müssen. Zugleich wird die neue Verfassung sicherstellen, dass der Ratspräsident künftig gewählt wird und abgesetzt werden kann. "Führung und Repräsentation der EU sind zu wichtig, um sie einem Politiker zu überlassen, der nicht das Vertrauen einer Mehrheit der Europäer besitzt", schrieb die "Financial Times Deutschland" trefflich. Denn der EU-Präsidentschaft obliegt eine vermittelnde Rolle, Eigeninteressen müssen zurückgestellt werden. Der Eklat sei eines der stärksten Argumente für einen gewählten hauptamtlichen EU-Präsidenten, meint SP-Europasprecher Caspar Einem. Dem gegenüber vertritt VP-Außenpolitiksprecher Michael Spindelegger die offizielle Linie der Bundesregierung, die am halbjährlich wechselnden EU-Vorsitz festhalten möchte.