Afrikanische Union verstärkt Truppen in Somalia. | Analyst: "Ausländische Interventionen sind kontraproduktiv." | Mogadischu/Wien. Somalia ist das Paradebeispiel eines gescheiterten Staates: Seit zwei Jahrzehnten befindet sich das Land in einem Bürgerkrieg, die Infrastruktur ist zusammengebrochen, es gibt viele Waffen und wenig Lebensmittel.
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Mittlerweile ist Somalias Konflikt aber über die Grenzen des Landes am Horn von Afrika getreten: Es war die somalische, aufständische, radikal-islamistische Al-Shabaab-Miliz, die in Ugandas Hauptstadt Kampala während der Übertragung des Fußball-WM-Finales 76 Menschen mit ihren Bomben tötete.
Die Al-Shabaab hält Verbindungen zur Al-Kaida und hat sich im Süden Somalias festgesetzt, der dadurch zum Rückzugsgebiet für internationale Terrorristen wurde. Die Angst ist groß, dass die Al-Shabaab erneut im Ausland zuschlägt. Die Miliz hat bereits Kenia gedroht und vor allem Burundi gilt als gefährdet, da das Land ebenso wie Uganda Soldaten nach Somalia entsandt hat.
Ugandas und Burundis Einheiten sind im Zuge einer Mission der Afrikanischen Union (AU) in Somalia, um die dortige Regierung zu stützen. Die AU will sich von der Al-Shabaab nicht einschüchtern lassen: Das Kontingent von 6000 Mann wird nun aufgestockt, zumindest 2000 zusätzliche Soldaten sollen nach Somalia entsandt werden.
Ohne den Schutz der AU-Truppen würde die schwache somalische Regierung nicht mehr existieren, sind sich Beobachter einig. Aber ist die Entsendung von noch mehr Soldaten die richtige Strategie, um die Al-Shabaab zu besiegen?
Der Somalia-Experte Rashid Abdi hegt daran große Zweifel. Auch zusätzliche AU-Truppen könnten nichts an der grundlegenden Dynamik des Somalia-Konflikts ändern, sagt der Analyst des renommierten Think Tanks "International Crisis Group".
Brutaler Bürgerkrieg
Diese Dynamik ist verheerend: Die Regierung von Präsident Sheikh Sharif Sheikh Ahmed - der sich als moderater Islamist bezeichnet - beherrscht nur noch einen Teil von der Hauptstadt Mogadischu und steht dort unter dem Beschuss von Aufständischen. Den Rest des Landes kontrollieren verschiedene Clans und Milizen. Manche Milizen stehen aufseiten der Regierung, manche bekämpfen diese. Und auch untereinander sind die Milizen teilweise verbündet, teilweise verfeindet, die Fronten wechseln ständig. Die stärkste Miliz ist aber die Al-Shabaab, die immer mehr Gebiete einnimmt. Sie hat ein islamistisches Schreckensregime aufgezogen und lässt etwa Ehebrecherinnen steinigen.
"Es ist ein komplexer, brutaler Bürgerkrieg, bei dem ausländische Interventionen aber kontraproduktiv sind", betont Abdi gegenüber der "Wiener Zeitung". Er verweist auf die Geschichte Somalias, in der ausländische Operationen immer wieder kläglich gescheitert sind - zuletzt zog Äthiopien, das die Regierung unterstützte, Anfang 2009 seine Truppen nach schweren Verlusten zurück. Die Äthiopier waren in der Bevölkerung verhasst und auch die AU-Truppen werden von vielen Somaliern als Invasoren angesehen.
Abdi räumt zwar ein, dass kurzfristig die Präsenz der AU-Soldaten nötig ist, um einen Sturz der Regierung zu vermeiden. Langfristig müssten aber somalische Regierungtruppen die Bekämpfung der Al-Shabaab übernehmen und internationale Akteure Hilfe im Hintergrund leisten.
Tiefe Spaltung
Der studierte Islamwissenschaftler verweist noch auf einen zweiten Punkt: "Innerhalb der Al-Shabaab gibt es tiefe Gräben zwischen den einheimischen und internationalen Kämpfern." Die internationalen Jihadisten haben immer mehr das Kommando bei der Miliz übernommen, was bei den somalischen Akteuren Widerstand auslöst. Hier ergibt sich laut Abdi eine Chance für die Regierung, Unzufriedene auf ihre Seite zu ziehen.
Es ist aber fraglich, ob westliche Staaten, die die Regierung unterstützen, Verhandlungen mit Proponenten der Al-Shabaab gutheißen. Schließlich stehen viele Mitglieder der Al-Shabaab auf der US-Terrorliste.
"Diese Vorbehalte sind verständlich", betont Abdi. "Und natürlich muss man Terroristen verfolgen. Gleichzeitig müssen wir aber eine Lösung für den Somalia-Krieg finden." Schließlich hat dieser schon genügend Leid hervorgebracht: Millionen Menschen sind unterernährt, Millionen sind vertrieben. Die Zivilbevölkerung wird zwischen den Fronten zerrieben, ohne dass ein Ende ihrer Lage in Sicht wäre.